Schatzi, ich krieg 'n Päckchen

■ Heinrich Breloers Dokudrama "Einmal Macht und zurück - Engholms Fall", 20.30 Uhr, ARD

Der Sportkamerad Andreas Möller ist fraglos ein begnadeter Ballkünstler, nur manchmal hat er halt im Kopf so seine Aussetzer. Da legte er vor ein paar Wochen im KSC-Strafraum eine Ia Schwalbe hin und verhalf den Dortmundern also mit einem Elfmeter zum Sieg. Jeder andere Ledertreter wäre nach dem Ende der Partie schleunigst in der Kabine verschwunden und hätte sich im stillen eins gelacht. Doch nicht so Andreas Möller. Der stellte sich vor die Fernsehkameras in Positur und plauderte munter drauflos: daß das natürlich kein Elfer gewesen sei, er das bei jedem anderen Gegner auch sofort dem Schiri gesagt hätte und so weiter und so fort.

Nun hat der Fußballspieler Andreas Möller mit dem Genossen Björn Engholm nicht allzuviel gemein. Doch wenn es darum geht, sich ohne Not um Kopf und Kragen zu reden, stand der ehemalige SPD-Chef zumindest Ende der achtziger Jahre dem Kicker in nichts nach. Denn hätte Engholm am Abend der Landtagswahlen am 13. September 1987 in Kiel nicht ausdrücklich betont, den Namen Reiner Pfeiffer vor diesem Datum „noch nie gehört“ zu haben, und diese Aussage später vor dem Untersuchungsausschuß noch mehrmals wiederholt, er könnte heute noch in Amt und Würden sein. Hätte er an jenem Abend einfach eingeräumt, schon geraume Zeit vorher von den Machenschaften aus der Staatskanzlei gegen ihn gewußt zu haben, es wäre – um es mit seinem Bonmot zu sagen – eine Petitesse gewesen. Weil er es nicht tat, wurde aus der integren Lichtgestalt der SPD im freien Fall der Privatmann Björn Engholm und „Waterkantgate“ nun zum zweitenmal Gegenstand eines Films von Heinrich Breloer.

Im Prinzip blieb dem Regisseur auch kaum etwas anderes übrig. Schließlich hatte er in seinem Film „Die Staatskanzlei“ 1989 die Affäre nach dem damaligen Kenntnisstand aufbereitet, wonach Uwe Barschel und sein windiger Referent Reiner Pfeiffer als Täter, Engholm und die SPD als ahnungslose Opfer dastanden. Doch was der „Schubladenausschuß“ inzwischen über die damaligen Vorgänge innerhalb der SPD ans Licht gebracht hat, verlangte auch nach einem filmischen Korrektiv.

Und das ist Breloer in seiner vielfach erprobten Form des Dokudramas durchaus gelungen. Bis heute hat der „Schubladenausschuß“ noch längst nicht alles geklärt, und so muß sich Breloer mit endgültigen Beurteilungen weitgehend zurückhalten. Er kann hier also zwischen den verschiedenen Ebenen nicht ganz so virtuos hin- und herspringen wie in seinem „Wehner“-Film. Und dennoch vermittelt sein „Fall Engholm“ auf plastische Art eine Reihe von Geschehnissen aus der Rubrik „unglaublich, aber wahr“.

Dabei gewinnt vieles, was inzwischen als bekannt gelten darf, erst in der bildlichen Nachstellung die ganze Dimension des Grotesken. Etwa wie honorige Herren wie Exminister Günther Jansen und Engholm-Anwalt Peter Schulz zu Feierabenddetektiven mutieren und im Hotelzimmer hektisch Pfeiffers Aktentasche durchwühlen, während dieser gerade mal auf dem Klo ist. Und daß Jansen für Menschen in Not privates Geld in seinem Schreibtisch gehortet haben will, erscheint erst so richtig absurd, wenn man eine Schublade mit Bündeln von Banknoten tatsächlich sieht.

Von geradezu beklemmender Rätselhaftigkeit erscheint jedoch die reale Figur des Björn Engholm. Im Gespräch mit Breloer (im November 93 geführt) fingert er sich hilflos im Gesicht herum und scheint seltsam entrückt. Und in einer nachgespielten Szene (mit Burkhart Klaußner als Engholm) während einer SPD-Krisensitzung im März 93 gewinnt sein Verhalten („Du, ich hab' das einfach nicht mehr parat gehabt“) geradezu schizoide Züge.

Wenn der „Neue Breloer“ insgesamt weit unterhaltsamer daherkommt als alle früheren, liegt das in erster Linie an Elfriede Jabs, die 1988 die Geliebte Reiner Pfeiffers wurde. Was die Dame im Original und als Figur (Hansi Jochmann) so über die allzu menschlichen Hintergründe der Affäre ausplaudert, ist Comedy at it's best. „Ich hatte ja damals gar keine Ahnung vom Alkohol. Wenn ich mal Wein trank, dann immer nur süßen.“ – Reiner Pfeiffer brachte ihr nicht nur bei, daß man als Weltmann nur trockenen trinkt, sondern beglückte sie auch dann und wann mit der Mitteilung: „Schatzi, ich krieg wieder 'n Päckchen.“ Und mit den Scheinen aus Günther Jansens Schublade, übergeben von Pressesprecher Nilius, ließen es sich die beiden Turteltäubchen richtig gutgehen. Szenen, die Breloer im Stil alter Mafia- Komödien (umwerfend: Hermann Lause als Pfeiffer) mit Wonne inszeniert.

Und daß es jene Elfriede Jabs war, die schließlich den smarten Engholm aufs Kreuz legte, indem sie aus Rache an dem irgendwann abgehauenen Pfeiffer die Sache mit den Päckchen dem Stern steckte, gehört auch zu den Treppenwitzen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ungefähr so wie Andreas Möller zur Fußballgeschichte nach Uwe Seeler. Reinhard Lüke