Spaniens Terrorpolizei

■ Ermittlungen gegen baskische Guardia Civil wegen Folterungen

Madrid (taz) – „Um die Ermittlungen nicht zu beeinträchtigen“, erklärte Spaniens Innen- und Justizminister Juan Alberto Belloch gestern vor dem Innenausschuß des Parlamentes, könne er derzeit leider gar nichts zum Stand der Nachforschungen im Falle der zwei im März in Alicante gefundenen Leichen der mutmaßlichen ETA-Mitglieder José Ignacio Lasa und José Antonio Zabala sagen.

Lasa und Zabala, beide politische Flüchtlinge in Südfrankreich, waren am 16. Oktober 1983 in Bayonne spurlos verschwunden. Am 20. Januar 1984 bekannte sich die „Antiterroristische Befreiungsgruppe“ (GAL), auf deren Konto weitere 26 Tote gehen, gegenüber Radio Alicante zur „Hinrichtung“ der beiden.

Es dürfte Minister Belloch nicht leichtfallen, sein Versprechen, den Fall lückenlos aufzudecken, einzuhalten. Alle Indizien deuten daraufhin, daß die Mörder in den Reihen der Guardia Civil im baskischen Intxaurrondo bei San Sebastian zu suchen sind. Der Verdacht richtet sich gegen Oberbefehlshaber José Rodríguez Galindo und die von ihm persönlich ausgewählten 50 Mann der Sonderabteilung Antiterrorismus. Bei den Leichen von Lasa und Zabala, die starke Folterspuren und Einschußstellen im Nackenbereich aufweisen, wurden Patronenhülsen der gleichen Munition gefunden, „die in den achtziger Jahren üblicherweise von den Sicherheitskräften benutzt wurde“, so das gerichtliche Gutachten.

Einen Tag, bevor der anonyme Anrufer im Namen der GAL den Tod von Lasa und Zabala bekanntgab, rückten die Männer von Enrique Rodrguez Galindo aus. Tolosa, Heimatstadt der beiden, wurde drei Tage lang systematisch durchsucht, und so war für die 30 mutmaßlichen ETA-Mitglieder, die bei der Razzia verhaftet wurden, schon damals klar, daß die detaillierten Informationen nur von Lasa und Zabala stammen konnten – herausgepreßt „unter schrecklichster Folter“. Zwei Monate nach dem Verschwinden von Lasa und Zabala fiel ebenfalls in San Jean bei Bayonne der ETA-Führer Mikel Goikoetea den Kugeln der GAL zum Opfer. Nur engste Freunde kannten seinen Wohnsitz, unter ihnen Lasa und Zabala, die wenige Wochen vor ihrer Entführung beim Umzug halfen.

Der Fall des Guardia-Civil- Chefs Galindo treibt mittlerweile einen Keil zwischen die sozialistische Minderheitsregierung in Madrid und die Baskische Nationalistische Partei (PNV), auf deren Unterstützung Felipe González so dringend angewiesen ist. Die PNV regiert nicht umsonst so hart.

Es ist nicht das erste Mal, daß Zweifel über die Kaserne in Intxaurrondo auftauchen. Bereits 1989, als der Oberstaatsanwalt in San Sebastian, Luis Navajas, die Ermittlungen wegen Drogenhandel im Baskenland aufnahm, förderte er erstaunliches zutage. Zahlreiche Drogenhändler gaben immer wieder die gleiche Quelle für ihre Ware an: Die Kaserne in Intxaurrondo. Navajas zog Generalstaatsanwalt Javier Moscoso ins Vertrauen. Dieser verspricht den Fall zu übernehmen. Der „Bericht Navajas“ gilt seither als verschollen.

Doch obwohl Galindo seitdem alle mit Gerichtsverfahren überzieht, die ihn mit dem Drogenhandel in Verbindung bringen, wird es eng für ihn. Auch Galindos Privatvermögen erweckt inzwischen die Neugier der Öffentlichkeit: Woher nimmt ein einfacher Staatsdiener das Geld für elf Wohnungen und ausgedehnte Ländereien, fragen sich seine Kritiker. Keiner möchte ihm mehr so richtig Glauben schenken, wenn er zu seiner Verteidigung vorbringt, „Opfer einer Verschwörung der Nationalisten“ zu sein. Bis hin zur baskischen Regierung fordert man seine Amtsenthebung. Juan María Atutxa, Regierungsrat für innere Sicherheit, droht mit weiteren Enthüllungen. Seine Autonomiepolizei, die Ertzaintza, hätte Hinweise auf weitere Ungereimtheiten in Intxaurrondo. Reiner Wandler