EU schielt nach Osten

■ Kommission veröffentlicht Weißbuch für ehemals sozialistische Staaten

Brüssel (taz) – Wenn die Europäische Kommission ein Weißbuch vorlegt, dann heißt das normalerweise, daß sie in die Zukunft schaut. Diesmal hat sie vor allem zur Seite geschaut. Das neue Weißbuch zur Vorbereitung einiger mittel- und osteuropäischer Staaten auf den europäischen Binnenmarkt läßt die Probleme elegant links liegen.

Zum einen geht es ausdrücklich nicht um die Vorbereitung zum EU-Beitritt, sondern nur um eine Anpassung an den Binnenmarkt. Zum zweiten fehlt weiterhin der von Estland bis Slowenien sehnlichst erwartete Zeitplan, und zum dritten weist die Kommission vorsorglich darauf hin, daß sie nur Empfehlungen und keine rechtlich bindenden Schritte auflistet. Sie richtet sich auch nicht an die EU- Länder, sondern an die beitrittswilligen Staaten und gibt Ratschläge, welche Gesetze und welche Verwaltungsstrukturen sie umbauen müssen, damit sie mit dem Regelwerk des Binnenmarktes zusammenpassen.

Die Kommission verspricht aber, dabei technische und finanzielle Hilfestellungen zu leisten. Die Einzelheiten werden im Anhang ausgeführt, aber der soll erst nächste Woche veröffentlicht werden. Das gestern in Brüssel vorgelegte Weißbuch ist deshalb auch mehr ein politisches Zeichen, daß die Europäische Union grundsätzlich bereit ist, sich trotz aller hinhaltenden Versprechen stärker in die Pflicht nehmen zu lassen. Auch wenn die Kommission das so nie sagen würde: Durch den Aufbau regelmäßiger Kontakte und die Entsendung von EU-Experten soll der Prozeß der Osterweiterung eine Eigendynamik bekommen, die auch von widerspenstigen EU- Mitgliedern nicht mehr so leicht aufzuhalten ist. Allerdings dämpft auch das Weißbuch die in Prag, Budapest und Warschau gehegten Hoffnungen auf rasche Einzelbeitritte zur EU. Die drei Länder werden in einem Atemzug genannt mit Bulgarien, Rumänien, Slowakei, den drei baltischen Staaten und Slowenien. Alois Berger