Bonn macht mobil

Kabinett verpflichtet D- und E-Telefonnetzbetreiber, Lauschmöglichkeiten im Netz zu schaffen  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Die Bundesregierung will die Telekommunikations-Unternehmen zwingen, Polizei und Staatsanwälten das Abhören der digitalen Telefonnetze D1, D2 und E-plus sowie des ISDN- Netzes zu ermöglichen. Das Kabinett beschloß gestern eine von Bundespostminister Wolfgang Bötsch eingebrachte Verordnung, nach der die Netzbetreiber verpflichtet werden, im Zeitraum von einem Jahr die technischen Voraussetzungen für das Abhören zu schaffen.

Bisher können die digitalen Netze nur eingeschränkt abgehört werden. Das führte zu vielfachen Klagen nicht nur bei den Strafverfolgern. Diese bedauern, auch bei richterlich angeordneter Telefonüberwachung eines Verdächtigen nicht zum Zuge zu kommen. Auch Geheimdienstler klagen, etwa den Handy-Funkverkehr von Neonazis nicht überwachen zu können.

Der Streit um die Kosten ist mit dem Beschluß aber nicht beigelegt. Weil die Bundesregierung es im Zulassungsverfahren für die Funknetze versäumt hat, entsprechende technische Abhörmöglichkeiten festzuschreiben, lehnen die Netzbetreiber ab, die Kosten für die Lausch-Nachrüstungen zu tragen. In der gestern erlassenen Verordnung ist zwar zur Frage der Finanzierung keine Aussage enthalten; Bötsch und Bundesinnenminister Manfred Kanther gehen dennoch davon aus, daß nach dem Fernmeldeanlagengesetz die Kosten Sache der Unternehmen sind.

Nach Angaben der Netzbetreiben betragen die Kosten für die Nachrüstung für jedes der Mobilfunk-Netze rund 40 Millionen Mark. Die Telekom beziffert die nötigen Investitionen beim ISDN- Netz mit rund 100 Millionen.

Die gestrige Entscheidung gilt nach Angaben des Postministeriums nicht für Telekommunikationssysteme wie Bündelfunk, Terrestrisches Flugtelefonnetz (TFTS) oder Mail- und Voiceboxen. Die Sicherheitsbehörden werden absehbar trotz des Kabinettsbeschlusses weiter dem technischen Fortschritt hinterlaufen. Im Bereich der Mailboxen werden die meisten Datentransfers heute schon schon mit sogenannten Komprimierungsprogrammen durchgeführt – mit der Folge, daß der beamtete Lauscher trotz rechtlicher Handhabe erst einmal die Datensätze umständlich (mit dem richtigen Programm) dekomprimieren müßte. Um dann möglicherweise festzustellen, daß die Botschaft verschlüsselt ist.

Zunehmend bedienen sich die Nutzer von Mailboxen sogenannter PGB-Programme („pretty good privacy“), die selbst die hochgezüchteten Computer der Nachrichtendienste nicht knacken können. In den USA wird daher bereits versucht, den Vertrieb solcher Verschlüsselungsprogramme durch eine Gleichsetzung mit dem Handel von Nuklear- und hochsensibler Militärtechnologie zu unterbinden. Ohne Erfolg.