Franjo Tudjman will weiterkämpfen

■ Kroatischer Präsident droht mit weiterem Vorrücken seiner Armee / UNO kritisiert Kroaten

Zagreb (AP/taz) – Die Friedenstruppen der UN sind über die „alarmierende Entwicklung“ in Kroatien äußerst besorgt. UN-Chefsprecher Christopher Gunness beklagte in Zagreb eine „inakzeptable Behandlung“ serbischer Soldaten und Zivilisten in den von der kroatischen Armee zurückeroberten Serbengebieten in Westslawonien. Die Führung der Blauhelme prangerte vor allem das Verhalten der kroatischen Behörden an.

„Nach unseren Erkenntnissen wurden bis zu 2.000 serbische Männer im wehrfähigen Alter aus der Stadt Pakrac in das Landesinnere Kroatiens abtransportiert“, sagte Gunness. Er korrigierte jedoch frühere Angaben, wonach auch Frauen und Kinder abgeführt worden seien. Am Donnerstag abend hatte der Weltsicherheitsrat Kroatien wegen seines Vorgehens gegen die serbische Minderheit in Pakrac kritisiert. Zugleich wurden die kroatischen Serben wegen der Bombardierung Zagrebs verurteilt.

Auf die Vorwürfe der UNO reagierte in Zagreb der kroatische Innenminister Ivan Jarnjak. Er forderte Journalisten auf, in Pakrac serbische Zivilisten zu besuchen und sich davon zu überzeugen, daß die Beschuldigungen falsch seien. Berichte über Plünderungen durch kroatische Soldaten nannte er eine „absolute Lüge“. Die Internierten werden von den kroatischen Behörden inzwischen offiziell als Kriegsgefangene bezeichnet. Der Chef der kroatischen Militärpolizei, Mato Lausic, teilte in Zagreb mit, 1.030 Soldaten der Krajina- Serben aus Pakrac seien unter anderem in Turnhallen in Bjelovar und Varazdin, jeweils 80 Kilometer westlich und nördlich von Zagreb, interniert. Nach Abschluß der Vernehmungen werde die Regierung über deren Schicksal entscheiden. Mutmaßliche Kriegsverbrecher würden einem Militärgericht übergeben. Augenzeugen berichteten aus Bjelovar, daß die Lage dort äußerst gespannt sei. Die Polizei habe einen Riegel um die Turnhalle gezogen, um Einwohner auf Abstand zu halten.

Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić drohte mit dem Sturm auf die drei UN-Schutzzonen im Osten des Landes, wenn die UNO die Schutzzone Westslawonien für die Krajina-Serben nicht sofort wiederherstellt. In den drei ostbosnischen Schutzzonen Goražde, Srebrenica und Zepa sind 60.000 Muslime von bosnischen Serben umzingelt. Offenbar als Reaktion auf die Niederlage in Westslawonien verschleppten Soldaten der bosnischen Serben nahe Banja Luka neun Nonnen aus zwei katholischen Klöstern.

Unterdessen zeichnet sich ab, daß der Krieg in Kroatien mit der Eroberung Westslawoniens noch nicht beendet ist. So drohte der kroatische Präsident Franjo Tudjman ein weiteres Vorrücken seiner Armee an, wenn die kroatischen Serben nicht freiwillig weitere von ihnen besetzte Gebiete aufgeben würden. Die Offensive seiner Armee in Westslawonien bezeichnete er als eine Lektion für die Serben. Die UNO meldete den Beschuß von Dörfern um Knin durch kroatische Artillerie. Knin im dalmatinischen Hinterland ist die Hauptstadt der Krajina-Serben. In eine Pufferzone westlich von Knin seien über 1.000 kroatische Soldaten mit schweren Waffen eingerückt, hieß es in Zagreb. Auch in Ostkroatien nähmen die Spannungen zu.

Der schnelle Erfolg der kroatischen Trupppen wird von Beobachtern inzwischen damit erklärt, daß die Offensive in Westslawonien unter größter Geheimhaltung vorbereitet werden konnte. Selbst prominente Oppositionspolitiker hatten noch Tage zuvor festgestellt, daß es „in den kommenden Monaten zu keiner großen politischen, diplomatischen oder militärischen Operation kommen kann“.

Unvorbereitet waren so auch die Serben. Nach den „chirurgischen Eingriffen“ der Spezialpolizei und der Elitetruppen der kroatischen Armee standen sie plötzlich ohne Nachschub, Kommunikation und gesicherte Abzugwege da. Dies hätte, so Journalisten vor Ort, zu einer Spaltung der Serben geführt. Ein Teil war zu Verhandlungen bereit, der andere entschloß sich, weiterzukämpfen.