Westdeutsch orientiert

■ betr.: Leserbrief von Dag Benhelm zur „Titanic“-Anzeige (taz vom 28. 4. 95), taz vom 5. 5. 95

Daß die Titanic-Mannschaft ihren Frust über geringe Absatzzahlen irgendwie kompensieren muß, kann ich ja noch verstehen, konnte über die Anzeige sogar lächeln, der Brief von Dag Benhelm geht aber glatt zu weit. Wahrscheinlich sind sechs Mark für ein (das??) Satiremagazin den meisten Leuten hier schlichtweg zuviel, andererseits: Ein Produkt, daß nicht gekauft wird, kommt wohl nicht an, da helfen globale Beschimpfungen auch nicht weiter. Auf dem klar westdeutsch dominierten Medienmarkt (das betrifft alle Medien!) kommen ostdeutsche Themen halt kaum vor und die alternativen ostdeutschen Zeitungen sind ja erfolgreich platt gemacht worden.

Zu Dag Benhelm kann ich nur sagen, daß bekanntlich auch die „wendehalsigen Heulsusen aus Anschlußdeutschland“ (haste lange dran gebastelt an der Formulierung, gelle?!) zur Wiedervereinigung nicht gefragt wurden. Offenbar hat er auch nicht gemerkt, daß die Zeiten einer Osttaz schnell genug wieder vorbei waren. Es kann (leider) auch in der taz keine Rede davon sein, daß Ostdeutschen etwas „angedient“ wird! Auch die taz ist immer noch klar westdeutsch orientiert (begrüßenswerte Ausnahmen bestätigen die Regel). Nicht zuletzt trägt mein Abo – und ich habe mir sagen lassen, daß es noch mehr AbonnentInnen im Osten geben soll – dazu bei, daß es die taz auch für Herrn Benhelm noch gibt. Ist schon befremdlich, daß ausgerechnet die, die eine alternative Zeitung lesen, mit dem Entzug derselben bestraft werden sollen, weil sie zur Spezies der Ostdeutschen gehören. [...] Michael Blaszcyk, Halle/Saale