■ Mit unsicheren Fähren auf du und du
: Suche nach Vertrauen

Oslo (taz) – Die Branche ist verunsichert. Nach der Estonia- Katastrophe begann bei Reedereien und Schiffbauern eine hektische Suche nach Konzepten, wie die Fähren verbessert werden könnten. Der Generalsekretär der Internationalen Seefahrtsorganisation IMO, William O'Niel, berief eine Kommission mit über zwanzig Sicherheitsexperten, die einen ersten Forderungskatalog aufstellten: Bessere Rettungsflöße, Spezialtraining der Besatzungen, neue Stabilitätsvorschriften für Fähren für den Fall des Eindringens von Wasser ins Autodeck seien nötig, um weitere Katastrophen zu verhindern.

Bei der morgen beginnenden Konferenz des „Maritime Safety Commitee“ werden diese Fachleute allerdings Schwierigkeiten haben, ihre Vorstellungen durchzusetzen. Denn schon bei den Vorbereitungstreffen für die Konferenz zeigte sich, daß einige Länder die Verbesserungen blockieren.

Vor allem Griechenland, Italien und Spanien haben ganz eigene Vorstellungen zur Fährsicherheit. Ihre Reedereien haben vorwiegend ältere Schiffe im Verkehr, bei denen Umbauten extrem teuer oder ganz unmöglich wären. Warum aber auch Deutschland durch die Forderung nach „präziserer Ursachenforschung“ bremst und Frankreich sich noch zu keiner Meinung durchgerungen hat, vermag Norwegens Seesicherheitschef Ivar Magnum nicht zu verstehen: „Welche Beweise braucht man nach den Katastrophen mit der Estonia, Scandinavian Star und Herald of Free Enterprise eigentlich noch, daß die Fähren nicht sicher genug sind?“

Auf eine schnelle Verschärfung der Vorschriften drängen dagegen die skandinavischen Länder, Großbritannien, die USA und Kanada. In diesen Staaten ziehen auch – trotz hoher Investitionskosten – die Reedereien mit. Und sei es auch nur, um das bei den KundInnen geschwundene Vertrauen in die Sicherheit der Fähren schnellstmöglich zurückzugewinnen. Gerade was verbesserte Stabilitätsvorschriften angeht, wollen diese Länder keine Zeit verlieren. Die offenen Autodecks sollen durch Zusatzkonstruktionen abgeteilt werden können, und es soll nicht länger darauf vertraut werden, „daß schon nichts passieren wird“. Reinhard Wolff