Umsonst und voll guter Hoffnung

Von wegen „faule Arbeitslose“: Wenn die ABM-Stelle ausgelaufen ist, machen viele Erwerbslose „ehrenamtlich“ weiter. Nur wenige von ihnen bekommen einen festen Job.  ■ Aus Berlin Barbara Dribbusch

Wolfgang Muß ist das, was die Kirche als „guten Menschen“ bezeichnet. Der 47jährige betreibt die Teestube der Berliner Luthergemeinde. Fast jeden Tag findet sich hier ein buntes Völkchen ein. Exfixer Timo läßt sich von Muß bei seiner Korrespondenz mit den Ämtern helfen. Ralf, sprachbehindert, liest sich durch die gespendete Bibliothek.

Dann sind da noch die Rentnerin Frau H., ein taubstummer Pole und der arbeitslose Thomas mit dem „Spültick“ – auch ihnen zuliebe kann Muß die Teestube „nicht aufgeben“, wie er sagt. Seine ABM-Stelle ist vor drei Monaten ausgelaufen. Aber Muß ist einer von jenen hunderten von Ex- ABMlern, die – offiziell arbeitslos gemeldet – ehrenamtlich aber weitermachen, und alles Gerede von den „faulen“ Arbeitslosen Lügen strafen.

Im Mitteilungsblatt Was nun? der Berliner Arbeitsförderungsgesellschaften wird auf das neue Phänomen hingewiesen: „Daß Arbeitslose, nachdem eine Maßnahme ausgelaufen ist, ehrenamtlich weitermachen, das entwickelt sich jetzt.“ Auch Ingrid Bonas vom Berliner Verband der Arbeitsförderungs- und Beschäftigungsgesellschaften (BVAB) hat beobachtet, daß zunehmend „Leute weiterarbeiten, auch wenn das nicht bezahlt wird“.

Das Problem: Ein, höchstens zwei Jahre lang dauert eine AB- Maßnahme. Danach müssen die TeilnehmerInnen mindestens ein halbes Jahr lang wieder eine „Ehrenrunde“ als Arbeitslose drehen, um erneut ABM-berechtigt zu sein. Seit 1990 rotierten bundesweit rund 1,5 Millionen Arbeitslose in AB-Maßnahmen hinein, und entsprechend viele wieder hinaus.

Gerade die besonders Engagierten suchen verzweifelt nach irgendeiner Möglichkeit, weiterhin dabeibleiben zu können. „Uns blieb ja gar nichts anderes übrig, als ehrenamtlich weiterzuarbeiten“, erzählt Marion Drögsler, 34jährige Schuldnerberaterin beim Arbeitslosenzentrum Berlin-Marzahn. Als ABM-Kraft hatte die Pädagogin mit einem Kollegen die Beratung aufgebaut. Nach zwei Jahren war dann Schluß mit der eigentlichen AB-Maßnahme. Jedoch sollte das nicht das Ende der Schuldnerberatung sein. „Das Projekt war wie ein kleines Kind für mich. Und der Bedarf war ja da“, schildert Drögsler.

Elf Monate berieten sie und ihr Kollege „ehrenamtlich“, erledigten die Schreibarbeiten und feilschten mit den Gläubigern ihrer Klientel. Geld für Briefmarken war noch da, auch die Computer hatte die betreuende Servicegesellschaft nicht abgebaut. Während dieser Zeit lebte Drögsler von Arbeitslosengeld. „Das Arbeitsamt wußte von unserer ehrenamtlichen Tätigkeit.“

Viele Arbeitslose sollen durchgeschleust werden

Seit sechs Jahren gilt ein Gesetzespassus, nachdem Erwerbslose „gemeinnützige und zusätzliche Arbeit“ verrichten und gleichzeitig vom Arbeitslosengeld leben können – eine billige Angelegenheit, zumindest für so manche soziale Einrichtung. Auch Teestubenbetreiber Wolfgang Muß von der Schöneberger Luthergemeinde mußte sich einschlägige Sprüche anhören. Auf seine Bitte um eine gesicherte Finanzierung antwortete ein Kirchenvertreter jovial: „Wolfgang, du hast doch noch dein Arbeitslosengeld!“

Damit kann schnell Schluß sein. Im Mitteilungsblatt Was nun? wird vom Fall einer Projektleiterin berichtet, die nach dem Ablauf ihrer ABM-Stelle weiter ehrenamtlich ackerte. Das ging eine Weile, bis ihr vom Arbeitsamt ein Schreiben ins Haus flatterte: Sie wurde aufgefordert, das gewährte Arbeitslosengeld zurückzuzahlen, da „die Anspruchsvoraussetzungen“ nicht vorgelegen hätten. Wer als Arbeitsloser die Funktion eines Geschäftsführers weiterausübe, habe weiterhin „Arbeitgeberstatus“.

Gerade die LeiterInnen von Projekten müssen aber auch nach Ablauf ihrer ABM-Stellen oft noch ehrenamtlich weitermanagen, um das Projekt nicht zu gefährden. „Vor allem die Regiekräfte machen oft noch ehrenamtlich weiter“, bestätigt Monika Kunze vom BVAB.

Der Brief vom Arbeitsamt belegt denn auch nur das Dilemma der Arbeitsförderung: Die Behörden wollen durch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen möglichst viele Erwerbslose erreichen. Rotation ist erwünscht, nicht aber eine „Verfestigung der Teilnehmerstrukturen“, so ein Bericht des IAB-Instituts der Bundesanstalt für Arbeit. Die TeilnehmerInnen haben das gegensätzliche Interesse: Sie wollen schlichtweg ihre Arbeit behalten. Auch nach einer unfreiwilligen „ehrenamtlichen“ Phase hoffen sie wieder auf eine geförderte Stelle oder gar auf einen „richtigen“ Job im ersten Arbeitsmarkt.

Bei Marion Drögsler ging die Rechnung auf: Nach elf Monaten unfreiwilligen „Ehrenamtes“ berät sie jetzt wieder ganz offiziell gefördert in einer Beschäftigungsmaßnahme. Wolfgang Muß hofft dagegen noch auf eine Festanstellung bei der Kirche. Die hat aber kein Geld. „Ich sage mir halt: Irgendwie mußt du durchhalten.“