Friedensfest und Schlagstöcke

■ Kundgebung zum 8. Mai in Berlin mit rund 10.000 Teilnehmern / Polizeilicher Schlagstockeinsatz gegen Kurden

Berlin (taz) – Am zentralen Mahnmal der Bundesrepublik gegen Krieg und Gewaltherrschaft, an der Neuen Wache, darf nicht jeder, der gegen Krieg und Gewaltherrschaft ist, dieses auch kundtun. Auf keinen Fall durften sich Grüne, Jusos, Antifas, PDSler, Menschenrechtler oder gar Überlebende des Naziterrors dort versammeln.

Der Streit um die vom „Bündnis 8. Mai“ – einem Zusammenschluß von etwa 200 verschiedenen Initiativen – angemeldete Kundgebung vor diesem symbolischen Ort am gestrigen Sonntag, beschäftigte jedenfalls erst das Berliner Verwaltungs- dann, auf Antrag des Staatsschutzes, das Oberverwaltungs- und schließlich sogar das Bundesverfassungsgericht. Dessen Notsenat fällte wenige Stunden vor der Demonstration ein salomonisches Urteil. Es versetzte die Polizei in Alarmbereitschaft. Denn die Kundgebung durfte stattfinden, zwar nicht direkt vor der Neuen Wache, aber immerhin 50 Meter davon entfernt. Das große Friedensfest konnte auch gefeiert werden, am Schloßplatz, etwa 300 Meter weiter.

Und so hätte eigentlich alles fast wunderbar sein können, wenn die polizeiliche Einsatzleitung den Überblick behalten hätte. Während Alisa Fuß, die Präsidentin der Internationalen Liga für Menschenrechte, auf dem Podium noch Lehren aus dem 8. Mai zog und sich solidarisch mit dem Befreiungskampf des kurdischen Volkes erklärte, stürzten mit Schlagstock bewaffnete Stoßtrupps immer wieder in die Menge und erbeuteten PKK-Fähnchen. Und weil sie in dem Gewimmel nicht auseinanderhalten konnte, wer Rentner, Rollstuhlfahrer, Kind oder potentieller Terrorist ist, traf die Staatsgewalt jeden, der sich zufällig gerade in oder am Rande einer der diversen kleinen Polizeikessel befand.

Es gab mehrere Festnahmen, auch den Sohn des Bürgerrechtlers Lutz Rathenow traf es, und es gab mehrere Verletzte. So hat die Polizei durch ihr hysterisches Agieren der PKK ein wunderbares Forum für deren Propaganda geliefert. Die Rechnung der PKK, die große Demonstration „Nie wieder“ zu funktionalisieren, ging auf – dank des unnötigen Public-Relations- Einsatzes von etwa 1.000 Polizisten.

Das war schon lange vor der Kundgebung abzusehen, schon bei der vorausgegangenen Demonstration mit etwa 10.000 Menschen vom Alexanderplatz quer durch das alte jüdische Viertel der Stadt zum Kundgebungsort. Immer wieder kam es in den Straßen zu Schlägereien, verprügelt wurde auch ein Mitglied des Bundesvorstands der Grünen, der Iraner Kambiz Behbahani. Dabei schwenkte er kein staatsgefährdendes Fähnchen, sondern verteilte den 8.-Mai-Aufruf seiner Partei.

Bei all diesem Debakel war es dann fast wie ein Wunder, daß das Friedensfest mit melancholischer jiddischer Musik und den Reden von Auschwitz-Überlebenden aus fünf Ländern dann doch noch sehr schön wurde. Anita Kugler