Konzert zum Kriegsende

■ Deutsche Kammerphilharmonie gedenkt des Kriegsendes / den Musikern eine „Herzensangelegenheit“/ Werke von Lutoslawski, Hartmann und Dimitri Schostkowitsch / Dirigent: Maxim Schostakowitsch

Daß Komponieren und Musizieren auch mit politischen Positionen und Stellungnahmen zu tun hat, wird in den seltensten Konzerten deutlich. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen realisiert diesen jeder Kunst immanenten Anspruch normalerweise mit der außerordentlichen Qualität der Interpretationen. Mit dem „Konzert zum Kriegsende“ wurde darüber hinaus ein ungemein schlüssiges Programm zum Thema erstellt. Zahlreiche ehemalige Widerstandskämpfer und KZ-Häftlinge waren zu dem Konzert im nahezu ausverkauften Dom eingeladen: Daß das Konzert eine „Herzensangelegenheit“ – so ein Musikerin – des Orchesters war, hörte man auch an den intensiven, geradezu insistierenden Interpretationen.

Der polnische Komponist Witold Lutoslawski gedenkt mit seiner 1956-58 geschrieben „Trauermusik“ für Streichorchester der Leiden der Menschen im besetzten Polen: atemberaubende Pianissomoklänge verscheuchten im Dom jeden möglichen Huster. Jeder Klang, jedes Intervall ein eindrückliches Symbol der Trauer: nicht viel Musik des 20. Jahrhunderts erfüllt so gleichzeitig die Anforderungen nach neuestem kompositorischem Stand und emphatischer Ausdrucksdichte.

Das „Concerto funèbre“ für Solovioline und Streichorchester, das Karl Amadeus Hartmann 1939 als direkten Reflex auf den deutschen Überfall in Polen schrieb, wirkt jedenfalls viel äußerlicher, redseliger, auch wenn die Komposition mit Sicherheit nicht so gemeint ist. Thomas Zehetmair spielte einen nuancenreichen Solopart, eindrucksvoll herausgearbeitet wurden die bedrohlichen Rhythmen des Mittelsatzes.

Welten trennen diese beiden Werke von denen Dimitri Schostakowitschs, dessen Realisierung der 1945 von Stalin in Auftrag gegebenen Triumphmusik auf die Sowjetarmee für den Komponisten wieder einmal zur Folge hatte, daß er laut den ZK-Beschlüssen von 1948 nur noch Filmmusiken und Gelegenheitskompositionen schreiben durfte. Diese neunte Sinfonie, 1945 in Leningrad uraufgeführt, sucht einen Weg in die Parodie, in die Karrikatur, und ist gefüllt unüberhörbaren Trauerlementen.

Der Dirigent Maxim Schostakowitsch, der Sohn des Komponisten, hatte seine eigene Art, mit der väterlichen Verweigerungstaktik umzugehen: er überspielte sie geradezu. Vordergründig Triviales ließ er wirklich trivial erklingen, weniger sarkastisch, wie es aus anderen Aufnahmen des Werkes bekannt ist. Und wie wenig der Sohn mit Teilen der Biographie des Vaters noch zu tun haben will, war weiter zu erkennen an seinem exzentrischen Verbeugungsverhalten: so, als habe er gerade eine schmissige Operette hinter sich. Psychoanalytisch vielleicht verständlich, im Kontext dieses Konzertes mit einer Zugabe von einigen rasanten Takten eher daneben. Die Deutsche Kammerphilharmonie – hier zusammen mit Rigaer Kammerorchester – zeigte einmal mehr ihre überragenden Qualitäten, in diesem Werk besonders der Blechbläser.

Das im wahrsten Sinne des Wortes ergreifende Konzert wurde ergänzt durch die Lesung der „Cantate pour la vie“ von André Migdal, der als 16jähriger Zwangsarbeiter beim Bau des U-Bootbunkers Bremen Farge beteiligt war. Als dauerhafte Mahnung ragte das „Bremen-Farge“ aus seinem Text hervor.

Ute Schalz-Laurenze