■ Jacques Chirac hat es geschafft
: Basse Couture

Wahlergebnisse der westlichen Demokratien kommentieren, heißt seit einiger Zeit, Packungsbeilagen über Nebenwirkungen verfassen. Das kennen wir allmählich, daß Wahlergebnisse keinen Sieg von etwas über etwas, sondern nur den Vorsprung von jemandem vor jemandem bedeuten. Kurz, die Franzosen haben aus der diesjährigen Frühjahrskollektion die männlich-vitale Abendgarderobe bevorzugt. Aufmerksamkeit verdient, daß die Designer aus dem lange erfolglosen Haus Jacques Chirac den Rohseidensmoking mit burschikos aufgekrempelten Ärmeln anbieten. Die Krawatte (zum Smoking!) aus mundgeriffeltem Crêpe Georgette wird leger geknotet. Über den teuren Hanfsocken (blau-weiß-rot geringelt) trägt das Modell elegante Fallschirmspringerstiefel, die ebenso afrikatauglich sind, wie sie schichtenindifferent wirken. Halt(los)barkeit bis ins Jahr 2002 wird versprochen.

Einen erstaunlichen Erfolg verbuchte die etwas zerknitterte, aber saubere Arbeitsgarderobe aus der völlig heruntergewirtschafteten volkseitlen sozialistischen Firma. Der diskrete Charme der Ratlosigkeit, den Lionel Jospin aufrechten Ganges auf dem Steg vorführte, erregte Bewunderung und erntete mehr als sporadischen Applaus.

Der nominelle Sieger der diesjährigen französischen Präsidentengala Jacques Chirac versprach in seiner ersten Rede nach der Wahl die „Rückkehr“ (!) zu Liberté, Egalité und Fraternité. Daran gemessen steht der Konkurs seines Hauses jetzt schon fest. Wenn es einen Grund gibt, warum ich dem akkuraten Blaumann Jospins nachtrauere, dann weil er weder das Talent noch die Charakterlosigkeit für solche Hochstapeleien hat. Dabei ging es bei dieser Wahl wohl gerade darum: Wer föhnt genug tröstliche Warenluft in den Eiskanal der Modernisierung, durch den Frankreich jetzt muß: wirtschaftlich, akademisch, bildungspolitisch? In diesem Sinne sind übrigens die 15 Prozent von Jean-Marie Le Pen das einzig wichtige Signal dieser Veranstaltung gewesen. Und noch etwas: Wenn Wahlen nur noch einen halben Kilometer hinter dem Komma etwas über die Politik sagen, dann müßte man sich mal fragen, was sie über die Wähler sagen. Aber das können wir auch an der eigenen Basse Couture studieren. Walter van Rossum

Freier Autor, lebt in Köln