Rotgrün gegen Auto-Vormacht

■ Vorrang für Bus und Bahn mit AfB-Stimme gegen CDU/FDP durchgesetzt

Hinter einer Stellwand im Bürgerschafts-Foyer versteckt stießen gestern mittag drei Bremer PolitikerInnen mit Sekt an: Bausenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Reinhard Barsuhn und der grüne Fraktionsvorstand Dieter Mützelburg. Zu feiern hatten die drei einen rot-grünen Coup am letzten Sitzungstag der Bürgerschaft vor der Wahl. Denn gerade war mit den Stimmen von SPD und Grünen gegen CDU und FDP der Vorrang des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) vor dem motorisierten Individualverkehr (MIV) als Gesetz beschlossen worden. Zugestimmt hatten auch fünf rechtsextreme Abgeordnete und der bisher einzige Vertreter der AfB in der Bürgerschaft: der Bremerhavener SPD-Dissident Dieter Wilhelmi.

SPD und Grüne hatten eine knappe Abstimmung vorausgesehen und ihre Abgeordneten mobilisiert. Und tatsächlich hoben dann alle elf Grünen und 39 SozialdemokratInnen ihre Hand für das ÖPNV-Gesetz. Damit hätte die rot-grüne Mehrheit auch ohne fremde Unterstützung ausgereicht. Hauptredner bei der SPD: Reinhard Barsuhn, der zu den fünf SPD-Abgeordneten gehört hatte, die mit CDU, FDP und Rechtsextremen das Mißtrauensvotum gegen den grünen Umweltsenator Ralf Fücks beschlossen hatten.

Per Gesetz festgelegt ist jetzt, daß in Bremen „dem ÖPNV Vorrang vor dem MIV eingeräumt“ und der ÖPNV „durch den Abbau von Behinderungen beschleunigt werden“ soll. Der „Eisenbahn- und sonstige Schienenverkehr“ soll dabei „als Grundangebot ausgestaltet und das übrige Angebot darauf ausgerichtet werden“. Außerdem ist „den Belangen von mobilitätsbehinderten Fahrgästen und von Frauen Rechnung zu tragen“. Das gilt auch für alle niedersächsischen Busse und Bahnen, die im Land Bremen verkehren.

CDU und FDP hatten in der vorangegangenen Debatte die gesetzliche Festlegung auf den Vorrang des ÖPNV und eine behindertengerechte Ausstattung der Fahrzeuge und Haltestellen kritisiert. Die FDP mußte sich allerdings von Dieter Mützelburg daran erinnern lassen, daß das von ihr geführte Wirtschaftsressort erst im März auf einer öffentlichen Anhörung dem jetzt beschlossenen ÖPNV-Gesetzentwurf zugestimmt hatte.

Schließlich gab es Zeitdruck. Denn wenn ab 1.1.96 die Nahverkehrszüge der Bundesbahn in Länderregie übergehen, muß deren Finanzierung und Vernetzung mit dem ÖPNV gesetzlich geregelt sein. Bremen gehörte bis gestern zu den letzten Bundesländern, die das noch nicht geschafft hatten.

Rund 20 Millionen Mark pro Jahr zahlt der Bund ab 1996 für zusätzliche Investitionen in den Bremer Schienen-Nahverkehr. Damit das Geld möglichst sinnvoll eingesetzt wird, sieht das ÖPNV-Gesetz die Gründung eines Verkehrsverbundes mit dem niedersächsischen Umland vor. Der ist dann für die Erarbeitung eines umfassenden Nahverkehrsplans zuständig. Ase