Ein Hauch von „Beat generation“

■ betr.: „Bitte keine Billigtickets“ (Gegen die Veramschung der Bahn), taz vom 6. 5. 95

So, Felix Berth ist gegen Billigtickets bei der Bundesbahn. Vielleicht reicht ja die Sichtweise eines Journalisten, der 1995 in der taz veröffentlichen darf, nur bis an die oberen Einkommensgrenzen. Wie sonst ist die Aussage zu verstehen, daß die Einführung des Wochenendtickets der Bundesbahn die „dümmste Idee im letzten Jahr“ sei. Es mag sein, daß die Bahn keine Neukunden dadurch gewinnt, die in der Woche auf ihren Pkw verzichten. Die angeblich verärgerten Jahreskarteninhaber, um die sich Herr Berth so sorgt, sind mir allerdings ein Rätsel.

Wer am Wochenende mit diesem Ticket gefahren ist, kommt zu anderen Erfahrungswerten. Menschen aus allen Teilen des Landes reisen miteinander und begegnen sich. Jugendliche, Arbeitslose, kinderreiche Familien, und andere „Nicht-Besserverdienende“ haben plötzlich die Möglichkeit ihrer meist tristen Alltagswelt zu entkommen. Die Bundesbahn hatte sicherlich nicht das Wohl dieser Menschen im Sinn. Aber ein Hauch von „Beat generation“ auf deutschen Schienenwegen ist vielleicht produktiver für das Klima in diesem Land, als versnobte Kommentare dieser Art. Die Besserverdienenden fahren wohl doch eher ICE oder Golf Cabrio. Andreas Geil, Krefeld

[...] 1. Wenn PendlerInnen „über 1.000 Mark für ihre Jahreskarte“ zahlen, dann gilt diese Karte an 365 Tagen des Jahres und nicht an zwei aufeinander folgenden. Sie werden sich diese Karte auch sicherlich nicht vorrangig deshalb kaufen, um damit am Samstag zur Arbeit zu fahren. Das wäre ein ausgesprochen schlechtes Geschäft; wenn man aber die „über 1.000 Mark“ durch die Zahl der Wochenenden – 52 – teilt, ergibt sich ein Wert von um die 20 Mark pro Wochenende, bei künftigen 30 Mark pro Wochenende ergäbe sich hochgerechnet aufs Jahr ein Wert von 1.560 DM. Das heißt unter diesem Aspekt würde es sich schlicht um eine zeitanteilge Jahreskarte handeln. Zu mutmaßen, daß sich derzeitige Dauerkunden wegen des Wochenend-Tickets den Kauf ihrer nächsten Karte überlegen würden, scheint mir deshalb äußerst gewagt. Sie nutzen sie nämlich auch montags bis freitags.

2. Es würden, so schreibt Felix Berth, die Wochenendkunden „bestimmt nicht zu Dauerkunden“, wenn sie am Montag danach wieder 25 Pfennig pro Kilometer zahlen müßten. Mit Verlaub: Zeitkarten legen auch nicht den Kilometersatz für Einzelfahrkarten zugrunde. Gibt es bei der taz niemanden, der/die soweit mit dem Tarifsystem vertraut ist, daß einem derartige Fehler erspart bleiben?

3. Felix Berth wirft der Bahn vor, ihr Produkt zu verramschen – „die gleichen Millionen, investiert in konsequentes Marketing, hätten mehr Effekt“. Das überrascht mich nun doch, daß die Bahn ihr Geld nicht in bessere Verbindungen, moderne Waggons u.ä. Produktverbesserungen investieren soll, sondern – in Werbung(!). Wo hat Herr Berth denn diese Weisheit geschöpft? Das Interessante an dem Wochenend-Angebot ist doch, daß es gerade so gut wie ohne Werbung so populär geworden ist.

Im übrigen beruht nach meiner Überzeugung die Aktion gerade darauf, daß praktisch Zusatzkosten entstehen. Die am Wochenende verkehrenden Regionalzüge fahren deshalb, weil sie einerseits Reste eines Infrastrukturcharakters der Bahn sind und zweitens Zubringerdienste zum Fernverkehr versehen. Hier hat die Bahn die Chance genutzt, sich psychologisch überhaupt wieder als Transportalternative im Bewußtsein breiter Bevölkerungsschichten zu verankern, und dies scheint mir bei aller Kritik im Einzelfall (warum Züge von drei Waggons, wenn zwei mehr das Platzproblem lösen würden?) positiv zu bewerten zu sein. Reinhard Lauterbach,

Frankfurt/Main