■ Der Ruhestand als saubere Lösung
: Glückwunsch, Richter Orlet!

Das hätte man Ihnen gar nicht mehr zugetraut, daß Sie doch noch reinen Tisch machen können ... Na ja, ganz so rein ist der Tisch zwar nicht. Ein Eingeständnis von eigenen Fehlern ist in dem Hinweis auf Ihre Herzschwäche eigentlich wirklich nicht zu sehen. Aber immerhin, bei aller Verstockheit, die Sie bisher an den Tag gelegt haben, ist Ihr Antrag auf die sofortige Versetzung in den Ruhestand doch ein echter Schlag durch den gordischen Knoten.

Denn einerseits, aber das werden Sie wohl nie verstehen, hat Ihr Urteil völlig zu Recht so große Wellen geschlagen. Sie haben eben nicht nur geprüft, ob sich Deckert auf die Meinungsfreiheit berufen kann, wenn er sich gegen weitere jüdische Ansprüche aus dem Holocaust wehrt. Nein, Sie haben sich dieses Anliegen doch recht offensichtlich zu eigen gemacht. Und diese – Ihre – mit NPD-Chef Deckert gemeinsame Haltung hat Sie dann ja auch dazu gebracht, Deckert als eine „charakterstarke, verantwortungsbewußte Persönlichkeit“ zu bezeichnen. Nach ihrer Diktion ist er eben nur mit dem von ihm gewählten Mittel, der Leugnung des Holocaust, über das Ziel hinausgeschossen. Und deshalb hat Ihre Kammer Deckert ja auch zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Diese Sichtweise haben Sie in der letzte Woche veröffentlichten Stellungnahme an den Landtag leider nicht aufgegeben. Zwar schreiben Sie da, Sie würden das Urteil heute nicht mehr so abfassen. Was Sie jedoch heute ändern würden, verraten Sie leider nicht. Auch eine Distanzierung von Ihrer Äußerung im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, man könne sehr berechtigt die Auffassung vertreten, nach 50 Jahren müsse nun endlich Schluß sein, fehlt. Zwar betonen Sie dann ausdrücklich, kein Antisemit zu sein. Aber dann fällt Ihnen gleich im nächsten Satz ein, daß Sie immer das Lebensrecht Israels verteidigt hätten. Juden und Jüdinnen scheinen für Sie offensichtlich nur in Israel zu leben – oder jedenfalls dorthin zu gehören. Nein, Herr Orlet, etwas antisemitisch sind Sie wohl schon.

Die schwierige Frage war dabei nur, sind Ihre unsäglichen Äußerungen im Urteil und in zahlreichen Interviews denn auch Verfassungsverstöße, die eine Richteranklage beim Bundesverfassungsgericht tragen würden. Diesen Streit haben Sie uns nun erspart, und das ist gut so. Denn es wäre gegen den im Stuttgarter Landtag einmal eingeschlagenen Weg schwer geworden, darauf zu bestehen, daß die Verfassung keine Pflicht zur moralisch akzeptablen Vergangenheitsbewältigung enthält, und dies eine rein politische Frage ist, die nicht in Karlsruhe entschieden zu werden braucht. Christian Rath