Finstere Zeiten in Palästina

■ Amnesty international zieht ein Jahr nach Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens Bilanz

London (AP) – Ein Jahr nach Unterzeichnung des Gaza-Jericho- Abkommens zwischen Israelis und Palästinensern zieht amnesty international (ai) eine düstere Menschenrechtsbilanz. In einem aktuellen Bericht prangert die Menschenrechtsorganisation Folterungen und Mißhandlungen durch israelische und palästinensische Militärs und Polizisten an.

Amnesty forderte die israelischen und palästinensischen Behörden auf, die Menschenrechte ins Zentrum ihrer Politik und Abkommen zu stellen. Allein auf israelischer Seite seien im letzten Jahr mehr als 6.000 Palästinenser verhaftet worden, darunter auch Menschen, die nur aufgrund ihrer Überzeugung inhaftiert wurden. Die israelische Regierung habe Verhörmethoden wie verbundene Augen, Schläge und Schlafentzug nicht nur stillschweigend geduldet, sondern auch dazu ermutigt. Amnesty erwähnt das Beispiel eines Palästinensers, der am 25. April in israelischer Untersuchungshaft ums Leben kam. Ein schottischer Professor für Gerichtsmedizin bestätigte, daß der Gefangene an den Folgen von Folter gestorben ist.

Auch in den palästinensischen Autonomiegebieten wurden laut ai Hunderte Menschen verhaftet und ohne Anklage, Prozeß, Haftprüfung oder Zugang zu Anwälten und Familien festgehalten. Gefangene seien gefoltert und mißhandelt worden. Erwähnt werden zwei Männer, die unter Umständen starben, die den Schluß nahelegen, daß Folter ihren Tod verursacht oder beschleunigt hat.

Die Justiz sowohl Israels als auch der Palästinenser wird von ai als äußerst unfair bezeichnet. So habe Israel in den besetzten Gebieten Militärprozesse geführt. Auf palästinensischer Seite sei im Februar 1995 ein Staatssicherheitsgericht mit besonderen Verfahren eingesetzt worden. Dieses habe politische Gefangene – zumeist Islamisten – zu mehrjährigen Strafen verurteilt. Die meisten Prozesse hätten Nachts unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden.

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