Der Preis ist heiß umstritten

Wieviel der Strom aus Sonnenenergie tatsächlich kostet, wird heftig diskutiert / Noch schwerer sind Schätzungen für das nächste Jahrzehnt  ■ Von Anne Kreutzmann

Die sechziger Jahre waren das Traumjahrzehnt der Solarzelleningenieure. Ihre Produkte wurden ausschließlich zur Stromversorgung von Satelliten im Weltall verwendet, und der Preis spielte dabei keine Rolle — Hauptsache, man hatte überhaupt Strom in 36.000 Kilometer Höhe. Doch diese Zeiten sind vorbei; heute läuft unter den Experten ein erbitterter Streit, wie teuer Photovoltaik ist und wie billig sie werden könnte. Die Antworten auf diese Frage fallen äußerst unterschiedlich aus – je nach Interessenlage und Rechenkunst des Befragten.

Jürgen Leuchtner vom Öko-Institut Freiburg zählt zu den Experten, die eher günstige Prognosen abgeben: „Momentan muß man je nach Anlagengröße mit 1,17 bis 1,45 Mark pro Kilowattstunde rechnen.“ Der Energieversorger Badenwerk, der regenerative Energiequellen jetzt auch juristisch bekämpft (siehe Kasten), befindet sich auf der anderen Seite der Skala und schätzt zwei bis drei Mark pro Kilowattstunde. Außer Konkurrenz – und wohl auch nicht ganz ernst zu nehmen – ist schließlich der Atomtechniker Kurt Kugeler von der Uni Aachen. Er nannte bei einer Diskussion in Aachen kürzlich 60 Mark pro kWh. Festzustellen sei dieses Rekordergebnis in der hauseigenen Photovoltaik-Anlage der Kernforschungsanlage Jülich.

Beliebter Trick bei solchen Horrorszenarien ist übrigens, dem Strom aus Photovoltaik einige Kostenfaktoren zuzuschreiben, die damit nur sehr indirekt zu tun haben: So kann man, ganz locker, einen Zuschlag von dreißig Prozent für die Speicherung des Stroms aufschlagen, die irgendwann bei sehr hohem Solarstromanteil nötig werden könnte ...

Eine einigermaßen verläßliche Antwort erhält man momentan wohl am ehesten von der Strompreisaufsicht Nordrhein-Westfalen. Diese sah sich kürzlich vor die Aufgabe gestellt, den „wahren Preis“ einer Kilowattstunde Solarstrom möglichst genau zu ermitteln, um Anträge auf „kostendekkende Vergütung“ von Sonnenstrom bearbeiten zu können.

Dafür wurde ein Runder Tisch einberufen, besetzt unter anderem mit Vertretern der Elektrizitätswerke und des Sonnenstrom-Vereins Eurosolar. Ergebnis: Für eine Kilowattstunde Solarstrom sind momentan 2,01 Mark zu zahlen.

Die gemeinsame Rechnung der unterschiedlichen Experten kalkuliert alle wesentlichen Faktoren ein: den Preis der Anlage, ihre vermutete Lebensdauer, den Energieertrag sowie den Zinssatz für Eigen- und Fremdkapitalverzinsung. Die konkreten Annahmen sind dabei: Anlagenpreis 16.000 Mark, Lebensdauer zwanzig Jahre; Stromertrag 925 Kilowattstunden sowie 6,5 Prozent Zinsen für das Eigenkapital und 8,0 Prozent für das Fremdkapital.

Natürlich kann man über alle diese Parameter diskutieren. Besonders schwierig ist zum Beispiel die Schätzung, wie lange eine Photovoltaik-Anlage arbeitet. Die Hersteller geben momentan eine Leistungsgarantie zwischen zehn und zwanzig Jahren. Etwas zynisches Fazit von Rainer Voermans von RWE: „Die Kosten unserer Anlage im spanischen Toledo liegen bei 0,82 Mark pro Kilowattstunde. Ich rechne Ihnen aber auch gerne einen Wert von 0,7 oder 0,9 Mark aus.“

Neben den heutigen Kosten ist vor allem die Frage spannend, wie sich der Preis für Sonnenstrom in Zukunft entwickeln wird. Hier rechnet die Enquetekommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Bundestages selbst unter hiesigen Klimabedingungen für das Jahr 2005 mit 0,23 bis 0,30 Mark pro Kilowattstunde. Eine Studie der Konzerne RWE, Bayernwerk und Siemens aus dem Jahr 1993 erwartet im günstigsten Fall, nämlich für die heute im Labor verfügbare „Dünnschicht-Tandemtechnik“, den Preis von 0,47 Mark. Ähnlich das Ergebnis der Ludwig-Bölkow- Systemtechnik: Dort entwarfen die Ingenieure den Plan für eine große Produktionsanlage, deren Solarzellen in unseren Breitengraden Solarstrom zu einem Preis von 46 Pennigen pro Kilowattstunde erzeugen könnten. In fünf Jahren sei diese Anlage aufzubauen, schätzt Dieter Reismayr.

Welchen Preis man für das Jahr 2005 oder 2010 erwartet, hängt vor allem von den angenommenen Produktionskapazitäten für die Solarzellen ab. Denn Massenproduktion ist immer billiger als aufwendige Basteleien von Ingenieuren im Labor. Weltweit wurden 1994 zum Beispiel Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 61 Megawatt produziert. Die erwähnte Enquetekommission hält dagegen zehn Gigawatt Produktionskapazität im nächsten Jahrzehnt für möglich – das 150fache.

Doch auch die Materialpreise eines Solarmoduls stehen für die Zukunft noch nicht fest. Bei den heutigen, geringen Produktionsmengen kommen die Hersteller noch mit den Siliziumabfällen der Elektronikindustrie aus; das dürfte in ein paar Jahren schwieriger werden. Doch zu erwarten ist, daß dann nicht mehr ganz so hochreines Silizium verwendet werden muß, was den Preis wieder drücken dürfte. So kündigte Alan Green von der University of New South Wales eine Solarzelle an, die mit Silizium auskommt, das um den Faktor 100 bis 1.000 unreiner ist als das heute benutzte.

Doch wie tief der Preis für Solaranlagen auch fällt: Jede Anlage muß ein Handwerker installieren; abnehmen muß sie laut VDEW- Richtlinien schließlich ein Elektriker: alles Handarbeit, die sich nur schwer rationalisieren läßt. Der Anteil dieser Montagearbeit am Gesamtpreis liegt heute irgendwo zwischen zwanzig und vierzig Prozent, was die Kostenreduzierung deutlich erschwert. Doch die meisten Solarinstallateure arbeiten heute unter denkbar schwierigen Auftragsbedingungen. Meist ist nicht abzusehen, wann der nächste Fördertopf eröffnet wird, und entsprechend hohe Rücklagen müssen die Betriebe bilden.

Das könnte sich sehr schnell ändern, wenn sich das Prinzip der kostendeckenden Vergütung ausbreitet, wie es zum Beispiel schon in Aachen praktiziert wird. Philippe Welter, Solarinstallateur in Aachen, ist äußerst optimistisch: „Um zukünftig eine Fünf-Kilowatt-Anlage zu installieren, darf ein guter Monteuer nicht mehr als drei Arbeitstage brauchen.“ Dies entspricht 24 Arbeitsstunden; bei einem Stundenlohn von 80 Mark wären dies 2.000 Mark für eine 5-kW-Anlage. Das wären weniger als fünf Prozent des heutigen Anlagenpreises. Weitere Kostensenkungen sind möglich, wenn eine Solaranlage gleich bei einem Neubau installiert wird, wenn sowieso gerade der Dachdecker da ist. Unter diesen Bedingungen dürfte die Annahme der Enquetekommission tatsächlich erreichbar sein: Zwischen zwanzig und dreißig Pfennig pro Kilowattstunde im Jahr 2005. Das nächste Jahrzehnt könnte also wieder ein Traumjahrzehnt für die Solaringenieure werden – wenn sie solche Kostensenkungen schaffen.