Schweigen hilft beim Sterben

■ Mit dem Funktionsargument „Wählt uns, damit Kohl Kanzler bleibt“ wollte die abgesturzgefährdete FDP nicht werben. Aber ein anderes hatte sie auch nicht.

Die Fax-Geräte in den nordrhein-westfälischen Redaktionen kommen gar nicht mehr zur Ruhe. In immer kürzeren Abständen spuckt vor allem die FDP ihre Pressemeldungen aus. Überraschend kommt das nicht. Denn die Liberalen, die unter dem Möllemann-Nachfolger Joachim Schultz-Tornau nie wieder mit dem „nackten Funktionsargument“ – Motto: Wählt FDP, damit Kohl Kanzler bleibt – auf Stimmenfang gehen wollten, haben Angst. Fast alle Umfragen orten die Partei bei etwa fünf Prozent.

Absturz nicht ausgeschlossen.

Inständig beschwor deshalb Bundesaußenminister Klaus Kinkel seine Parteifreunde am vergangenen Wochenende in Wuppertal, doch jetzt bitte erneut auf das Funktionsargument zu setzen. Und einen Vorschlag brachte Kinkel auch gleich mit in den Barmer Bahnhof in Wuppertal: „Wer die absolute Mehrheit der SPD in NRW brechen will, kann das nur über die FDP. Wir sollten das in den Mittelpunkt stellen.“

Angesprungen sind darauf die Liberalen bisher nicht, denn mit der Kinkel-Strategie verbinden sie bittere Erfahrungen aus der Doppelwahl im vergangenen Oktober. Damals stürzte die FDP bei der Kommunalwahl auf 3,8 Prozent ab und büßte zwei Drittel ihrer 978 kommunalen Mandate ein. Das Bundestagswahlergebnis fiel mit 7,6 Prozent dagegen recht üppig aus. Doch in die Freudengesänge der Bonner FDP-Führung über diese bürgerlichen „Funktionswähler“ mochte die NRW-Partei nicht einstimmen. Sie warf Kinkel vor, mit seinem Funktionsargument das liberale Profil der Partei zerstört zu haben.

Doch die FDP pur – auf Plakaten als kleiner blau-gelber Pandabär im Kampf mit den tolpatschigen Artgenossen SPD und CDU dargestellt – erwies sich ebenfalls nicht als Erfolgsmodell. Zurück zur Kinkel-Strategie geht es in den letzten Tagen gleichwohl nicht. Dabei böte ein früheres Spiegel-Interview von Schultz-Tornau sich doch für ein Wiederholungsspiel an.

Wenn die FDP in Düsseldorf scheitere, so der FDP-Landeschef, stelle sich die „Existenzfrage“ der Partei insgesamt. Auch die Bonner Koalition sei dann „sicher gefährdet“. Nun, so weit mochte Kinkel in Wuppertal dann doch auch wieder nicht gehen. Weil es keiner wagt, die mögliche Gefährdung der Bonner Koalition auszusprechen, läßt sich offen mit diesem Argument auch nicht werben. Achim Rohde, der Spitzenkandidat, suchte die verzwickte Situation gestern so zu umgehen: Weil die SPD mit Sicherheit die stärkste Partei im Landtag werde und auch die Grünen „aller Voraussicht“ den Einzug schafften, reduziere sich die „ganze Spannung des Landtagswahlkampfes“ daher „auf die Schicksalsfrage der FDP“. Wem welches Schicksal im Fall der Fälle droht, ließ Rohde indes weiter offen. Über Kinkel und Bonn kein Wort.

Ganz tot stellt sich auch die NRW-SPD in Sachen FDP. Motto: „Schweigen hilft beim Sterben.“ Nur Oskar Lafontaine hielt sich daran nicht: „Ob die FDP in den Landtag kommt, ist nicht nur eine wichtige Frage für NRW, sondern für ganz Deutschland. Scheitert die FDP, ist das nützlich, die deutsche Außenpolitik wieder in vernünftige Bahnen zu bringen, denn der jetzige Außenminister ist ein Risiko für unser Land.“