Größer, breiter, schneller...

Autobahn-Wahn: Bundesumzugsminister Klaus Töpfer läßt prüfen, ob Berlins äußerer Stadtring statt mit Schnellstraßen gleich zu einem Autobahnrund ausgebaut werden kann  ■ Von Kathi Seefeld

Berlin im Dauerstau. Dergleichen für die nächsten Jahre vorauszusehen, bedurfte es der Verkehrsprognosen von Senat und Bonner Umzugsexperten nicht. Daß es keinesfalls nur aufgrund innerstädtischer Großbaustellen immer schlimmer wird, wissen AutofahrerInnen, vor allem aber jene, die im Abgasdreck auf die nächste Straßenbahn warten, schon längst.

Trotz Wochenendtickets und zaghafter Verbesserungen für das Car-Sharing innerhalb der Stadt gibt es für die meisten BerlinerInnen offenbar keine wirkliche Alternative zum privaten Auto. So hält sich hartnäckig der Glaube, mehr Straßen lösten die Probleme. Jener Partei der besonders Gläubigen gehört auch Bundesumzugsminister Klaus Töpfer an. Und kaum daß er öfter in Berlin verweilt, kam ihm die Idee, den weiteren Ausbau des sogenannten äußeren Stadtringes zu einem geschlossenen Autobahnrund zu prüfen.

Wohnungen werden abgerissen

Wer deshalb auf erzürntes Schnauben beim Senat hofft, tut dies vergeblich. Autobahnen werden aus Bundesmitteln finanziert, und so scheint die Hochrüstung sowieso geplanter Schnellstraßen sehr verlockend. Doch der Schein trügt.

Bereits die lange geplante Veränderung der Stadtautobahn, die im Süden bislang am Tempelhofer Dreieick endete, beschert dem Senat seit Jahren jede Menge Ärger. Denn nicht nur, daß die 2,6 Kilometer lange Verlängerung Richtung Neuköllner Buschkrugallee 440 Millionen Mark verschlingt: Dem Bau der Trasse werden Wohnungen zum Opfer fallen, Gewerbebetriebe müssen verlegt werden. 18.000 Einwände gegen die Piste, die zum Großteil als Tunnel entstehen soll, flatterten bislang auf die Tische der Verwaltung. Die Proteste richten sich beispielsweise gegen den Abriß von sechzig Häusern in der Wederstraße.

Nach Aussagen der Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) würden haushohe Abgasschlote der Tunnel zusätzlich die Umgebung verpesten. Geplante Grünflächen und Spielwiesen über der Autoröhre trösten da nur wenig. Die Entlastung des umliegenden Straßennetzes gehört zu den Absichten der VerkehrsplanerInnen für das Jahr 2010. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit hat sich der Gesamtverkehr bis dahin auch schon wieder erhöht, so BISS. Mit täglich 188.000 Fahrzeugen zwischen Dreieck Tempelhof und Britzer Damm wird gerechnet. Baubeginn für das Teilstück soll bereits im Oktober dieses Jahres sein.

Bereits geplant ist auch, wie es am Britzer Damm weitergeht. Der Abzweig nach Süden wird als A113 zum Flughafen Schönefeld führen und in den bereits bestehenden Zubringer Richtung Dresden (A113) münden; nach Norden führt die Route als A100 nach Ostkreuz und von dort weiter zur Frankfurter Allee. So ist es im Flächennutzungsplan der Stadt bereits avisiert.

Mit moralisch positivem Gefühl bauen

Schon 1992 begann sich der Bezirk Treptow gegen dieses Vorhaben zu wehren. Durch die A100 würden besonders die grüne Lunge des Bezirks, der Treptower Park und die unter Denkmalschutz stehende Puschkinallee mit ihren Bäumen und historischen Stadtvillen, in Mitleidenschaft gezogen, so der Bezirksverordnete Harald Moritz (Bündnis 90/Die Grünen). Wenig erfreut dürfte auch die Reaktion des Neuen Deutschland ausfallen. Das neue Redaktionsgebäude zwischen der Elsenbrücke und der S-Bahnbrücke, frisch saniert und mit denkmalgeschützter Fassade versehen, steht mitten auf der geplanten Trasse.

Die A113 wird mitten durch attraktiv gelegene Gebiete am Teltowkanal führen. Kleingarten- und Siedlungsflächen werden geopfert. In den von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz in Auftrag gegebenen Voruntersuchungen hieß es seitens des Planungsbüros Planwerk: „Der Teltowkanal-Raum stellt das wesentliche Bindeglied des zu entwickelnden Stadt-Land-Grünzuges zwischen der Innenstadt und dem Stadtrand dar.“

Aufgrund der dicht an den Kanal heranreichenden Siedlungsbereiche und des Wasserwerkgeländes sei eine kanalbegleitende Straße – gleich welcher Dimensionierung – als nicht verträglich abzulehnen.

Gebaut werden soll dennoch. Zu einem „moralisch positiven Gefühl“ bekennt sich dabei der an der Gestaltung der neuen A113 beteiligte Hamburger Architekt Hans-Günther Burckardt in der Zeitschrift Foyer. Seiner Meinung nach soll die Kanalgegend auch nach dem Autobahnbau noch für Rad- und Flußwanderer nutzbar bleiben. Die AutofahrerInnen dürfen sich an einer „durchgehenden, gleichhohen Baumhecke aus schnittfesten Weiden“ erfreuen, um nicht die dahinterliegende „unruhige Reihung von unterschiedlich hohen Lärmschutzwänden“ wahrnehmen zu müssen.

Am wenigsten klar sind bislang die Vorstellungen, welchen Weg eine Autobahn im Nordosten nehmen soll, um dann im Norden am Westhafen den Ring zu schließen. Ostkreuz – Vulkanstraße – Volkspark Prenzlauer Berg – Michelangelostraße ist eine Variante der Streckenführung. Gürtelstraße – Ringbahn – Landsberger Allee und dann ebenfalls Michelangelostraße die andere.

Autobahndach über der S-Bahntrasse

Schon als erste Straßenbaupläne ruchbar wurden, reagierte der betroffene Bezirk Friedrichshain prompt. Er stimmte 1993 der Errichtung eines Neubaus in der Gürtelstraße zu und zog damit den Zorn des Senats auf sich, dem bei der Bewilligung des Unternehmens entgangen war, daß sich das neue Gebäude auf der geplanten Autotrasse befindet.

Von der Michelangelostraße soll es weiter über die Ostsee-, Bornholmer, Osloer und Seestraße gehen. Überwiegend dicht besiedeltes Gebiet. Weil dort jedoch zu viele AnwohnerInnen protestieren könnten, bietet der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) noch die Variante, statt dessen einen Teil des nordöstlichen S-Bahnringes per Hochleistungsstraße zu überdachen. Nicht nur, daß die schätzungsweise erforderlichen zehn Milliarden Mark dafür im Bundeshaushalt kaum vorhanden sein dürften – Überdachungsvorstellungen gehören der Kategorie der Phantasmen an.

Ein Töpferscher Autobahnring also bar jeder Vernunft. Das Dilemma ist nur, daß Berlin dafür bekannt ist, daß hier mit geradezu masochistischer Vorliebe in derartige Projekte investiert wird.