Auch seine Berechtigung

Freiburg hat jetzt eine Musikmesse: die „Euro Pop Days“, die dieses Wochenende erstmals stattfindet. Garantiert nur ungesignte Bands!  ■ von Andreas Becker

Hier ist man sie los: Die Berlin Independence Days (BID) sind im letzten Jahr sanft entschlafen, jetzt macht sich ein anderes Dorf in Deutschland auf, die Nachfolge der Musikmesse anzutreten. Freiburg in Südbaden trägt an diesem Wochenende erstmals die „Euro Pop Days“ aus – mit Konzerten, Diskussionen und allem drum und dran.

„Blöder Name, näh?“ meint Volker Maas, einer der Organisatoren, „aber mir fällt gerade auch kein besserer ein.“ Mit durchformatierter Schweden-Musik von Roxette, die gern als „Europop“ verkauft wird, habe das Freiburger Unternehmen eher weniger am Hut. Maas ist aber großzügig: Roxette habe „auch seine Berechtigung“.

Da ist es wieder, dieses Fünfegerade-sein-Lassen, dieses total unverkrampfte, chronisch ideologiearme, ursymbadische Laissez- faire, das Freiburg so auszeichnet. Auf seiten der „Euro Pop“-Veranstalter fühlt man sich zwar als legitimer Nachfolger der BID, ein Forum der „Unabhängigen“, will sich aber, durchaus zeitgemäß, nicht mehr auf den Indie-Status reduzieren lassen. Deshalb hat man zwar bei den Bands, aus rund 3.500 Bewerbungen nur die „ungesignten“ (die ohne Vertrag) für die Auswahl berücksichtigt – 168 Gruppierungen werden in drei Tagen über die Bühnen sämtlicher in Freiburg verfügbarer Klubs geschleust; doch damit diese jungen Talente auch entdeckt werden, gab es hinsichtlich der Plattenfirmenvertreter keinerlei Limits – weder nach unten noch nach oben. Vom obskuren Blues-Label bis zur WEA wird also ziemlich viel vertreten sein an Musikverlagen, Labels und anderen Organisationen, die ihr Geld mit Musik machen. Die Organisatoren selbst werden aufgrund der Preise von 60 Mark für alle drei Tage und alle Konzerte kaum reich. Stadt und Land geben nichts dazu – bis auf die Gewährung verbilligter Messehallengebühren. Ein Riesen-Rave in den Panzerhallen wurde von einem Beamten mit der Anforderung eines Lärmgutachtens zu Fall gebracht. Auch das ist Freiburg: „Sufer isch's un glatt.“

Doch jenseits der Kommune wird dafür umso kräftiger unterstützt. Die teuerste Plattenladenkette Deutschlands, WOM, sponsert – großzügig, großzügig – die Busfahrten zwischen den Clubs (obwohl Freiburg ja eine durchaus fußläufige Stadt ist), SWF 3, die regionale Radiowelle, vergibt „Rookies“, und MTV hat seinen „Euro Video Grand Prix“ von Hamburg in die Öko- Hauptstadt verlegt. Wer meint, soviel Öffnung zur Industrie hin könnte in der traditionsreichen Hausbesetzerstadt für Wirbel sorgen, sieht sich getäuscht. Pragmatismus rules okay: Das Lokalradio FR1 zieht mit, und sogar Radio Dreyeckland ist dabei, der Expiratensender, der sich ansonsten immer noch weigert, Werbespots zu senden.

Was den prinzipiellen Unterschied zur Kölner PopKomm ausmacht, bleibt allerdings verschwommen: „Bei und liegt der Schwerpunkt auf Kontakt“, sagt Maas, und solcherlei kommt ihm hübsch flott über die Lippen. Und wird Pop, sein Marketing, sein weltweites Weben und Streben nicht immer wichtiger – auch und gerade für die Kommunen? Konkurrenz gibt's übrigens aus München, wo am gleichen Wochenende die „Club Convention“ stattfindet. Außerdem traf man sich Ende April schon auf der W.I.E.N in Wien, und in Osnabrück findet im Juni die „Klangart“ statt.

Aber Freiburg hat, was viele wünschen: entspanntes Congressing mit hohem Freizeitwert. Selbst richtige sogenannte Panels, Seminare, auf denen in Berlin immer über Themen wie „How to break a band“ diskutiert wurde, werden nicht fehlen – auch wenn man auch das nicht so verbissen sieht.

„Laß sie diskutieren“, meint Maas und verweist auf die Konzerte der 168 Bands. Zehn davon stammen aus Berlin, und daß diese Hauptstadt-Acts jetzt zwecks Entdecktwerdens gen Süden gekarrt werden, hat doch was: Freiburg als Musikmetropole – absurd und darum irgendwie eine klasse Idee.

12. bis 14. Mai; Feininformationen unter Tel.: 0761/28 74 96