■ Das Stiftungsprojekt der Bündnisgrünen für NS-Opfer
: Jenseits der schönen Gedenkworte

Bündnis 90/Die Grünen haben erneut einen Vorstoß unternommen, der einer gerechten Sache dient: der Entschädigung all jener NS-Opfer, die bislang keinen Pfennig sahen. Sei es, weil das Unrecht, das ihnen angetan wurde, „nicht als typisch nationalsozialistisch“ im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes eingestuft wurde, sei es, weil sie aufgrund von sehr engen Antragsfristen oder hohen bürokratischen Hürden auch keine Entschädigung durch einen der später vom Bund und den Ländern eingerichteten Härtefonds bekommen haben. Zu den Gruppen, die an den 100 Milliarden, die die Bundesrepublik bisher an Entschädigung gezahlt hat, nicht den kleinsten Anteil hatten, zählen Homosexuelle, Kommunisten, „Euthanasie“-Opfer, Zwangssterilisierte, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter, „asoziale“ Opfer und Deserteure.

Die Verfolgten von damals sind heute alte Menschen, deren Leid nicht mit dem NS-Regime endete. Schwule konnte bis Ende der sechziger Jahre mit Strafverfolgung überzogen werden. Waren sie im Dritten Reich wegen ihrer Homosexualität verurteilt worden, galten sie auch in der demokratischen Bundesrepublik als vorbestraft. Gleiches gilt für die Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz. Wer vorbestraft ist, muß bis heute mit beruflichen und privaten Nachteilen rechnen. Das Leid und die Ausgrenzung, die diese Menschen ein Leben lang erfahren haben, kann materiell nicht wiedergutgemacht werden. Insofern ist schon das Wort „Entschädigung“ irreführend. Worum es eigentlich geht, ist, daß die Bundesrepublik Deutschland allen, wirklich allen, die unter den Nazischergen gelitten haben, wenigstens einen finanziell gesicherten Lebensabend garantiert und diesen Opfern auch die Achtung und gesellschaftliche Anerkennung zollt, auf die sie ein Leben lang verzichten mußten.

Die von den Bündnisgrünen vorgeschlagene Bundesstiftung könnte schnelle und unbürokratische Abhilfe leisten. Über die genaue Realisierung des Projekt müssen sich die Bundestagsfraktionen einigen.

Wer aber, wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Mittwoch im Innenausschuß, schon anfängt, darüber zu sinieren, was dies alles kosten könne, hätte besser nicht an den Feier- und Gedenkstunden zum 8. Mai teilgenommen. Geschichte läßt sich nicht allein mit Gedenkfeiern und schönen Worten aufarbeiten. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignaz Bubis, trat der Kostenargumentation jüngst mit folgenden Worten entgegen: „100 Milliarden ist weniger als ein Jahr deutsche Einheit, die in fünf Jahren 650 Milliarden Mark brauchte.“

Daß die Forderung der Bündnisgrünen finanzierbar ist, zeigt das Beispiel Berlins. Die Berliner praktizieren die in dem Fraktionsantrag vorgeschlagene Regelung seit Jahren. Karin Nink