Sie trauen nur der eigenen Statistik

■ Regierungskoalition will die Macht der Banken beschneiden / Der Bankenverband spielt die Bedeutung der Branche herunter

Hamburg – Die bundesdeutsche Wirtschaft durchschritt das tiefste Krisental in ihrer Geschichte, und zugleich meldeten die Banken immer neue Rekordergebnisse. Für diese Siegeshymnen gibt es gute Gründe. Allerdings Gründe, die der Bundesverband deutscher Banken den Lesern seiner neuesten Stellungnahme zur Macht der Banken erspart.

Die Regierungskoalition in Bonn setzte eine Arbeitsgruppe zur Begrenzung der Bankenmacht ein. Passend dazu veröffentlichte der Bankenverband eine Untersuchung, die alle Verdächtigungen ins Reich der Fabel verweist. Der Anteilsbesitz der Banken an Kapitalgesellschaften betrage nur noch 0,4 Prozent des Grundkapitals und gehe ständig zurück, heißt es in der Studie. Nur 99 von 1.561 Aufsichtsräten der 100 größten deutschen Unternehmen seien Bankangehörige. Das heißt aber auch, daß bei den meißten Konzernen ein Banker im Aufsichtsrat Einblick in die Bücher hat. Die Finanzjongleure werden hierzulande immer gewichtiger: Seit 1980 wuchs das deutsche Bruttosozialprodukt auf 187 Prozent, die Kreditwirtschaft auf 253 Prozent und die drei Großbanken – Deutsche Bank, Dresdner und Commerzbank – wuchsen sogar auf 302 Prozent. Zugleich konzentrierte sich das Bankgewerbe: Von 13.000 Banken und Sparkassen in den Fünfzigern haben bis heute keine 4.000 überlebt.

Sicherlich haben die Banken Macht als „Arbeitgeber“ oder als Gläubiger von 1,7 Millionen überschuldeten Haushalten. Einer davon ist übrigens der Bund: 1994 betrug der Zinsaufwand bereits 16 Prozent des Bundeshaushaltes – womit dann noch keine Mark Schulden zurückgezahlt war. Und Banken haben auch Macht gegenüber dem selbständigen „Mittelstand“: Die Eigenmittelquote (Eigenmittel zu Bilanzsumme) westdeutscher Unternehmen ist auf 18 Prozent gesunken und liegt damit im internationalen Vergleich außerordentlich niedrig. Im Ergebnis besteht eine starke Kredit-Abhängigkeit der meisten Unternehmen.

Mag das klassische Geschäft bei der Masse der Unternehmen bereits hinreichen, um von der Macht der Banken zu sprechen, greift bei den eigenkapitalstarken Aktiengesellschaften oft das Depot- oder Vollmachtstimmrecht. Die Geldhäuser haben faktisch die Mehrheit auf Hauptversammlungen anderer Unternehmen – ebenso wie bei den eigenen – mittels der Stimmen aus ihren eigenen Beteiligungen sowie mittels der Aktien-Stimmen ihrer Depotkunden. Der Stimmrechtsanteil aller Kreditinstitute auf den wichtigen Aktionärstreffen liegt daher durchschnittlich bei über 80 Prozent. Mehr als die Hälfte aller Stimmen vertreten die drei Großbanken.

Regelmäßig wird auf sinkende Aktien-Beteiligungen verwiesen. Auf größere Pakete haben aber die großen Banken ohnehin nur selten gesetzt. Allein schon, weil die Rendite zu schlecht ist: Nur zwischen zwei und drei Prozent „Zinsen“ werfen Aktien im Schnitt auf das eingesetzte Kapital ab. Entsprechend den tatsächlichen Kräfteverhältnissen wird in den Hauptversammlungen der Aufsichtsrat besetzt: Im Hinblick auf die Außenwirkung mit vergleichsweise wenigen Bankern (selbst diese zählt der Bankenverband nicht vollständig), aber hinreichend vielen Vertrauten aus bankeigenen Gremien. Zu den Aufsichtsräten und Beiräten kommen Freunde aus verbundenen Unternehmen und Institutionen hinzu. Allein zu den 130 wichtigsten Unternehmen unterhalten so die drei Großbanken über 2.500 Verflechtungen. Der nun „vertraute“ Aufsichtsrat eines Unternehmens bestellt wiederum den Konzernvorstand. Der Kreislauf der Macht wirkt fort in der Geschäftstätigkeit der Konzerne und findet seinen vorläufigen Abschluß in der Ausgabe neuer Aktien. Das geschieht selbstverständlich über die Haus- und Depotbank(en) – meist unter Führung der Deutschen Bank. Die Kreditinstitute verkaufen die jungen Aktien an ihre alten Kunden: dies sichert Provisionen und neue Depotstimmen. Und zum guten Schluß sind die bisherigen Mehrheitsverhältnisse auf verbreiterter Kapitalbasis erneuert worden. Hermannus Pfeiffer