Knigge für Abgeordnete

■ Englischer Richter legt Benimmregeln gegen politische Korruption vor

Dublin (taz) – Viele Tory-Abgeordnete mußten schwer schlucken, als Lord Nolan vorgestern abend seinen Bericht über seine Untersuchung von „Korruption und Günstlingswirtschaft“ in Politik und öffentlichen Diensten vorlegte. Der hochangesehene britische Richter ging mit seinen 55 Empfehlungen viel weiter als erwartet. Ehemalige Minister, forderte Nolan, sollen eine Genehmigung beantragen, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Rücktritt einen Job in der Privatwirtschaft annehmen wollen – eine dreimonatige Quarantäne ist in jedem Fall einzuhalten; Beschwerden gegen einzelne Abgeordnete sollen von unabhängigen Parlamentsbeauftragten untersucht werden, die auch die Einhaltung der Richtlinien bei der Jobvergabe in halbstaatlichen Organisationen überwachen; Abgeordneten soll verboten werden, für Lobby-Firmen zu arbeiten; und die Abgeordneten sollen sämtliche Einkünfte offenlegen.

Besonders der letzte Punkt stößt bei vielen Tory-HinterbänklerInnen auf erheblichen Widerstand. Premierminister John Major und sein Kabinett haben den Bericht dagegen begrüßt. Der Minister für den öffentlichen Dienst, David Hunt, der vor der Konstituierung des Nolan-Ausschusses noch vehement den Status quo verteidigt hatte, lobte den Bericht nach der Veröffentlichung als „einmalige Gelegenheit, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Bereiches wieder herzustellen“.

Major hatte den Untersuchungsausschuß im vergangenen Jahr nach einer Kette von Skandalen eingesetzt – so hatte die Sunday Times enthüllt, daß zwei Tory-Abgeordnete für parlamentarische Anfragen von Privatfirmen bezahlt worden waren. Einer der beiden, David Tredinnick, lobte Nolans Bericht gestern, weil er „die vielen Unklarheiten, die in dieser Beziehung herrschen, endlich beseitigt“. Am kommenden Donnerstag findet eine erste Unterhaus-Debatte über den Bericht statt. Ralf Sotscheck

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