: Spielwitz im Minutentakt
1. FC Kaiserslautern – Borussia Mönchengladbach 2:2 / Zwei Sieger und zwei Verlierer auf dem 75jährigen Betzenberg ■ Aus Kaiserslautern Günter Rohrbacher-List
Statistisch gesehen mußte dieses Spiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Borussia Mönchengladbach 2:2 enden. 13mal hatte der 1. FCK, zwölfmal die Borussia in 29 gemeinsamen Bundesligajahren auf dem Betzenberg gewonnen, fünf Unentschieden hatte es gegeben, bei 48:47 Toren für die Lauterer. Alles klar? Die Borussia, in den 70er Jahren der weiße Schrecken des Betzenbergs, aber auch geachteter und allseits respektierter Sympathieträger ob ihrer schönen und offensiven Spielweise, kam als die Mannschaft in die Pfalz, die hier die beste Bilanz aller Bundesligateams erzielt hat.
Zwischen 1973 und 1979 hätten die Lauterer die Punkte getrost per Post nach 4050 Mönchengladbach schicken können. 12:0 Punkte und 18:5 Tore holten die Borussen auf dem Betzenberg, und erst unter Trainer Karlheinz Feldkamp gelang dem 1. FCK Ende der 70er Jahre die Wende. Fortan kam Mönchengladbach nur noch sporadisch zu einem Sieg, etwa in der Saison 1983/84 mit 2:0 und am vorletzten Spieltag 1990/91 mit 3:2, als in ganz Kaiserslautern schon die Meisterfeier vorbereitet war. Eine Woche ließ der unbarmherzige Gladbacher Bayer Thomas Kastenmaier mit seinen Toren damals die Lauterer schmoren.
Meister hätten sie beide werden können in diesem Jahr. Kaiserslautern, wenn es zu Hause nicht zu viele Punkte verschenkt hätte, die Borussia, wenn sie konstanter gespielt hätte. Spätestens in der Halbzeitpause muß beiden Trainern und ihren Spielern klargeworden sein, daß sie vier Spieltage vor Schluß nur noch um einen Platz im UEFA-Cup spielen, denn Werder Bremen führte beim lustlosen VfB Stuttgart mit 2:0.
Schon nach 30 Sekunden hätte Pavel Kuka im besten Bundesligaspiel auf dem „Betze“ seit über einem Jahr den 1. FCK in Führung bringen können. Was folgte, war permanente Offensive beider Mannschaften. In der 22. Minute ließ Thomas Ritter Bachirou Salou zuviel Raum, und dessen Flanke nutzte der unvermeidliche Heiko Herrlich zum 0:1. Der 1. FCK vergab Chancen en masse, und immer wieder stand Torhüter Uwe Kamps dem Ausgleich im Weg. Bis zur 34. Minute. Olaf Marschall nahm eine Flanke von Miroslav Kadlec mit dem Kopf und erwischte die gesamte Abwehr auf dem falschen Fuß. Der geniale Marco Haber, der in der nächsten Saison ausgerechnet das marode Team aus Stuttgart verstärken will, brachte das Lauterer Spiel auf der rechten Seite unermüdlich auf Touren, hatte selbst gute Chancen und wurde zum besten Spieler auf dem Platz. Einhelliger Kommentar auf der Tribüne zur Pause: In zwanzig Minuten sind alle platt.
Denkste! Im Minutentakt und noch schneller ging es auf beiden Seiten weiter. Schuß Haber – Parade Kamps. Paß Kuntz – Kuka vorbei. Salou-Schuß – Reinke wehrt ab. Herrlich kommt zu spät. Dann die 64. Minute. Der Auftritt des gen Bayern München ziehenden Lauterers Ciriaco Sforza, der wie schon gegen den VfL Bochum freundlich empfangen wurde. Vor der Westtribüne, 18 Meter vor dem Tor, erreichte ihn die Flanke Pavel Kukas, ein satter Schuß, Innenpfosten, Netz, Tor. Sforza stürzte in Richtung Fans, warf der Menge einen triumphalen Handkuß zu und empfand sichtliche Genugtuung.
Drei Minuten später aber stand es schon wieder Unentschieden, nach einem Patzer von FCK-Torhüter Andreas Reinke, der plötzlich wieder seinen Ersatzmann Gerry Ehrmann im Nacken spürte. Ehrmann übte erst einmal und lief im Trainingsanzug Amok, als er mit einer Entscheidung von Schiedsrichter Wiesel nicht einverstanden war. Wild gestikulierend schleuderte er verbale Attacken Richtung Gladbacher Bank und war auch durch Trainer Friedel Rausch nicht zu beruhigen. Zum Buhmann der Westtribüne geriet Stefan Effenberg, der unablässig ausgepfiffen wurde, nachdem er wegen eines Handspiels eigentlich hätte Gelb-Rot sehen müssen. Doch Herr Wiesel meinte es gnädig mit dem Geschmähten, und beide Mannschaften beendeten die Fußballdemonstration auf dem auf den Tag genau 75 Jahre alten Betzenberg vollzählig. Das hochklassige Spiel hatte nach 90 Minuten zwei Sieger, die sich für den UEFA-Cup qualifizieren werden, und zwei Verlierer, die so nicht mehr Meister werden dürften.
Borussia Mönchengladbach: Kamps - Kastenmaier, Klinkert, Andersson, Hirsch (55. Schneider) - Fach, Effenberg, Hochstätter, Wynhoff (69. Stadler) - Salou, Herrlich
Zuschauer: 38.000; Tore: 0:1 Herrlich (23.), 1:1 Marschall (34.), 2:1 Sforza (64.), 2:2 Fach (67.)
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