Genauer hinsehen und differenzieren

■ betr.: „Wallraff gegen Orientali stin“, taz vom 6./7. 5. 95

Um es vorweg zu sagen: Ich unterstütze die fatwa gegen Rushdie in keiner Weise, ebensowenig wie ich die Intoleranz und Gewalt, die im Namen des Islam verübt wird, gutheiße. Ich habe das Interview mit Frau Prof. Schimmel nicht gesehen, kann jedoch den in der taz gebrachten Zitaten in keiner Weise entnehmen, daß sie „Verständnis für die Verfolgung des Schriftstellers Salman Rushdie geäußert“ habe. Sie hat Verständnis für die verletzten Gefühle der Gläubigen geäußert – und das sind ja wohl zwei paar Schuhe, auch wenn hiesige, ach so aufgeklärte und tolerante Intellektuelle das nicht wahrhaben wollen.

Es gibt viele, viele Muslime, die die fatwa nicht billigen und sich trotzdem durch Rushdies Buch angegriffen und verletzt fühlen, und zwar nicht nur einfache und ungebildete Muslime, die das Buch nie gelesen haben. Wenn sogar verwestlichte arabische Intellektuelle wie Edward Said Betroffenheit über „Die satanischen Verse“ äußern, sollte man vielleicht genauer hinsehen und differenzieren. Könnte es sein, daß Frau Schimmel als Orientalistin das Hintergrundwissen hat, das nötig ist, um das Ausmaß der gezielten Provokation aller Muslime (nicht nur intoleranter Extremisten) in Rushdies Roman zu ermessen? Aber nein, sie ist ja selber Muslimin und kann gar nicht objektiv sein, auch wenn sie ihr Leben mit dem Studium des Islam verbracht hat. Hingegen scheint das Rushdie-Komitee und die westliche Öffentlichkeit genau zu wissen, daß alles, was islamisch ist, intolerant, unterdrückerisch usw. sein muß. [...] Swaantje Barrett, Weisendorf