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: Ozon: Zumutung in kleineren Mengen

Seit nunmehr fünf Jahren wartet die Republik auf eine Sommersmogverordnung. Mit ihrer Empfehlung, Ozon-Grenzwerte so niedrig wie nur möglich festzuschreiben, setzt die MAK-Wertekommission die Umweltpolitik jetzt kräftig unter Druck

Ozon: Zumutung in kleineren Mengen

Der Verdacht bestand schon länger: Ozon kann Krebs auslösen. US-Wissenschaftler wollten es genau wissen und setzten Mäuse und Ratten unterschiedlich hohen Konzentrationen aus. Im letzten Oktober veröffentlichte das National Toxicology Programme dann seine Ergebnisse. Bei den kleineren Nagern löste das aus drei Sauerstoffatomen bestehende Gas sowohl gut- als auch bösartige Tumore in Lungen und Bronchien aus. Bei Ratten stellten die Forscher lediglich gutartige Zellveränderungen fest. „Es ist zu vermuten, daß Ozon nicht unmittelbar zu Krebs führt, sondern die Reparaturmechanismen des Körpers schädigt. Am Effekt aber ändert das so oder so nichts“, sagt Umweltmediziner Bernd Köppl, gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner Bündnisgrünen.

Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse aus den USA beschloß die sogenannte MAK- Wertekommission vor ein paar Wochen, Ozon auf die Liste der „begründet krebsverdächtigen“ Stoffe zu setzen. Die bei der deutschen Forschungsgemeinschaft angesiedelte Gruppe berät das Arbeitsministerium seit Jahrzehnten in puncto gefährliche Stoffe am Arbeitsplatz. Jeden Spätsommer veröffentlicht sie eine Empfehlung über die „maximale Arbeitsplatzkonzentration bedenklicher Stoffe“ (MAK). Besetzt mit Toxikologen und Arbeitsmedizinern, aber auch Vertretern aus Behörden und Industrie, gilt das Wort der Kommission wie ein Gesetz. Die Institution ist durchaus nicht als progressiv oder gar panikmacherisch verschrien, werden doch die meisten Begründungen für die Empfehlungen von den Delegierten der Industrie verfaßt. Auch ein Vertreter aus dem Bundesumweltministerium sitzt bei den Beratungen des Gremiums mit am Tisch. Insofern muß Angela Merkel über den Krebsverdacht Bescheid gewußt haben, als sie in den letzten Tagen mit ihren LänderkollegInnen darüber gefeilscht hat, ob spielenden Kindern, Fahrradfahrern und alten Leuten unter freiem Himmel 300 oder 240 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft zugemutet werden sollen.

Die MAK-Kommission empfiehlt hingegen, die arbeitende Bevölkerung künftig höchstens einer Konzentration von 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auszusetzen. Bisher galt für Ozon aufgrund seiner Belastung der Atemwege ein Grenzwert von 200 Mikrogramm, der bei im Freien arbeitenden Bau- und Landarbeitern an schönen Sommertagen bereits häufig überschritten wurde.

Wenn ein Stoff tatsächlich Krebs erzeugt, gibt es aus medizinischer Sicht keinen Grenzwert. „Die festgelegten Richtwerte geben dann an, wie viele Todesfälle pro eine Million Einwohner die Gesellschaft für vertretbar hält“, erleutert Köppl. Erfahrungsgemäß ist es so, daß bei einer Gefahr akuter Vergiftung immens viel höhere Werte politisch toleriert werden als bei Krebsverdacht; schließlich haben kanzerogene Stoffe eine Langzeitwirkung. Das vor allem durch den Autoverkehr verursachte Ozon wird als Novum in die deutsche Gesetzgebungsgeschichte eingehen. Denn im Gegensatz zu den anderen in der MAK-Liste aufgeführten Stoffen kommt Ozon in Fabrikhallen in geringeren Dosen vor als unter freiem Himmel – Fenster aufreißen führt folglich zu einer Verschlechterung der Situation.

Mit dem jetzt vorgeschlagenen Grenzwert setzt die MAK-Kommission die Umweltpolitik unter Druck. Denn normalerweise gelten im Freien wesentlich geringere Dosen eines gefährlichen Stoffs als akzeptabel als am Arbeitsplatz, wo Erwachsene sich acht Stunden am Tag aufhalten. Straßen, Spielplätze und Waldwege aber sind allen Bevölkerungsgruppen permanent zugänglich und müssen folglich weniger belastet sein.

Aber schon vor mehreren Jahren gab das inzwischen aufgelöste Bundesgesundheitsamt den Bürgern den Tip, die Fenster zu schließen und Kinder ins Haus holen. Das Verursacherprinzip hingegen wurde nicht ernst genommen. Der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Wert von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wird von den Umweltministern nicht einmal mehr diskutiert. Seit nunmehr fünf Jahren wartet die Republik auf eine Sommersmogverordnung. Am nächsten Mittwoch will Angela Merkel ein Papier vorlegen. Im Referentenentwurf ist davon die Rede, daß bei 180 Mikrogramm die Autofahrer gebeten werden sollen, etwas weniger zu fahren und ab 300 Mikrogramm soll es Fahrverbote geben – mit den bekannten Ausnahmen natürlich. Annette Jensen