König Raus absolute Mehrheit ist dahin

■ Ministerpräsident Rau braucht einen Partner – zur Verfügung stehen nur die Grünen und die CDU / FDP ausgeschieden / Grüne verdoppeln ihre Stimmenzahl

Düsseldorf (taz) – Ein politisches Erdbeben ließ gestern in NRW die Mehrheit der SPD schmelzen. Sah es zuerst noch so aus, als könne die Partei trotz Stimmenverlusten von über drei Prozent eine knappe Mandatsmehrheit halten, so schwand auch diese Hoffnung für die SPD im Laufe des Wahlabends. Johannes Rau, dem die Niederlage ins Gesicht geschrieben schien, verweigerte am Abend zunächst noch jede inhaltliche Bewertung. Bei seinem Kurzauftritt vor der Presse forderte er von seinen Genossen lediglich „viel Geduld“, um das endgültige Ergebnis abzuwarten. Auf ihn selbst komme eine „besondere Verantwortung für das Wahlergebnis“ und „für das, was nun geschehen muß“, zu. Das war's.

Rausgeflogen ist die FDP. Achim Rohde war kurz vor sechs noch „guter Stimmung“ im von Journalisten überquellenden FDP- Hauptquartier im Düsseldorfer Landtag. Doch weniger Minuten später, inzwischen lag die erste Hochrechnung vor, herrschte im FDP-Lager blankes Entsetzen. So kalkweiß hat man die Düsseldorfer FDP-Garde selten gesehen. Sie machte sich zwar noch Mut auf ansteigende liberale Pegelwerte, aber bis 18.30 Uhr blieb der Stand genau bei 4,2 Prozent. Aus! Ende! Vorbei! Die FDP ist draußen.

Im Lager der Bündnisgrünen, die ihr Stimmenpotential auf zehn Prozent verdoppeln konnten, herrschte eine euphorische Stimmung. Michael Vesper, der Realo- Vormann der letzten Fraktion, hoffte noch auf einen Mandatszugewinn für die Opposition, um die „rot-grüne Stimmung im Lande“ auch in rot-grünes Regierungshandeln umwandeln zu können.

Trotz der Stagnation seiner eigenen Partei – plus 0,7 Prozent – schaute der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Christdemokraten, Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, ganz zufrieden in die Runde. Blüm sprach davon, daß „wir einen Schritt weiter gekommen sind“, denn die „wesentliche Botschaft“, das „eigentliche Signal“, sei der Verlust der absoluten Stimmenmehrheit für die SPD.

Für die Sozialdemokraten bedeutet das Wahlergebnis den Beginn einer neuen Ära. Die Zeit der komfortablen absoluten Mehrheit ist endgültig vorbei und damit die Zeit des unumschränkten Alleinunterhalters Johannes Rau. Die Verluste der SPD gehen offenbar auf die sehr niedrige Wahlbeteiligung von nur knapp über 60 Prozent zurück, die deutlich niedriger lag als 1985 (75,2) und 1990 (71,8 Prozent).

Gestern sorgte auch der langjährige Düsseldorfer Innenminister Herbert Schnoor für Aufsehen. Der 67jähringe Sozialdemokrat tritt ab. Dem neuen Kabinett will er nicht mehr angehören. Mit der „CDU-Angstkampagne“ im abgelaufenen Wahlkampf zum Thema Kriminalität hat Schnoors Rücktritt indes nichts zu tun. Schon im Dezember 1994 hatte Schnoor Johannes Rau über seinen Entschluß informiert und um Verschwiegenheit gebeten. Der 69jährige, der gestern auch sein Düsseldorfer Landtagsmandat verlor, möchte sich den aufreibenden Job an der Spitze des Innenministeriums nicht mehr zumuten. Mit dem zutiefst liberalen, uneitlen Schnoor tritt einer der profiliertesten Innenpolitiker der Sozialdemokraten in Deutschland von der großen politischen Bühne ab. Rau verliert damit sein liberales Aushängeschild und die oppositionelle CDU ihren Lieblingsfeind.

Die besten Chancen, Schnoor zu beerben, werden dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten Behrens zugeschrieben. Wie Schnoor dient auch Behrens Rau einst in dessen Staatskanzlei. Walter Jakobs