Wiederholungstäter Ataie?

■ Die Indizien sprechen für einen gemeinschaftlichen Mord

Enttäuschend verlief gestern der 15. Verhandlungstag gegen Mohamad Ataie und Peter S. Nach nur einer halben Stunde hatte Richterin Hilka Robrecht Ataies „Aussagen zur Person“ zu ihrer und der Staatsanwaltschaft Zufriedenheit durch. Den Antrag auf Haftverschonung für Mohamad Ataie lehnte sie wegen Wiederholungsgefahr ab.

Robrecht begnügte sich damit, den Lebenslauf aus dem Urteil vom Februar 1992 vorzulesen. Was Ataie seitdem erlebt hat, interessierte das Gericht nicht. Damals war der afghanische Asylbewerber wegen Totschlag zu knapp fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Januar 1991 hatte er im Bürgerpark siebzehn mal auf seine Ehefrau Nirmala Ataie eingestochen und sie umgebracht.

Seit Mitte März verhandelt das Schwurgericht erneut gegen Mohamad Ataie. Drei Monate nachdem er vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde, soll Ataie im Juni 1994 die langjährige Freundin von Peter S. mit 25 Messerstichen ermordet haben. Peter S. soll Ataie beauftragt haben und selbst am Tatort gewesen sein. Einen Tag nach dem gemeinschaftlichen Mord hatte S. diese Version bei der Polizei zu Protokoll gegeben, kurze Zeit später jedoch widerrufen. Die Anklage stützt sich dennoch auf dieses Geständnis. Da die Polizei damals Formfehler begangen hat, ist es jedoch juristisch unbrauchbar.

Die Schultern hochgezogen, Kopf und Körper starr verfolgte Mohamad Ataie gestern seinen verlesenen Lebenslauf. Ohne Dolmetscher kann er die wenigen Nachfragen von Gericht und Staatsanwalt beantworten. Mit sanfter Stimme erzählt er, daß sein auch in Bremen lebender Bruder ihn im Gefängnis besucht. Er kann vermitteln, daß sein Asylantrag nebst Klage abgelehnt wurde, er aber dennoch nicht nach Afghanistan abgeschoben wird.

Alle anderen biographischen Häppchen sind bekannt: Daß Ataies Eltern 1980 bei einem Bombenangriff auf Kabul starben, daß er bei seinen Geschwistern aufwuchs, Zahntechniker lernte und als Jugendlicher aus dem 5. Stock eines Hauses gefallen ist. Seitdem trägt Ataie eine Kunststoffplatte unter der Schädeldecke, noch heute versagen wohl manchmal Beine und Arme. Über Kathmandu, Moskau und Ungarn kommt der Afghane am 31. Dezember 1989 nach Bremen.

Mag der zweite Mord dem ersten bis aufs Detail ähneln, so haben Kripo und Staatsanwaltschaft es doch schwer, dies zu beweisen. Bereits in der vergangenen Woche hatten sie ein Gutachten vorgelegt, daß den Teer unter Ataies Schuhen mit dem Belag des Tatortes verglich. Die Stoffe sind identisch. Doch der Gutachter hat dasselbe Material an mindestens drei weiteren Orten in Bremen gefunden. Auch dieses Indiz ist juristisch somit nicht mehr verwendbar. Ein Mitbewohner von Ataie sagte aus, daß er in der Tatnacht eine Waschmaschine über ihm gehört habe. Wenn auch zu vermuten ist, daß Ataie Butflecken auf seiner Kleidung vernichten wollte, so hätten doch auch andere Mitbewohner die Maschine benutzen können.

Die Familie des Opfers und die Anklagevertreter hoffen jetzt auf ein zweites Gutachten. In ihm werden Fasern von Ataies Kleidung mit denen an den Händen des Opfers verglichen. Es wird am kommenden Montag verhandelt.

ufo