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Wahlbetrug in Bremen?!

■ Einige meinten, daß es bei der Vorausscheidung der „Local Heroes –95“ nicht mit rechten Dingen zuging

Wenn Nachwuchs-Bands gegeneinander antreten, findet das zumeist auf Schulaulabühnen statt, und zu gewinnen gibt es eine Flasche Sekt für den Zweiten und ein „Rainbow“-Wochenende in Paris für den Ersten. Nicht so, wenn „radio ffn“ und die Volks- wie Raiffeisenbanken hinter dem Getöne stecken.

Da wird schon in den Vorausscheidungsrunden des „Local Heroes –95“-Wettbewerbs eine ganze Kiste Sekt für den dritten Platz gestiftet und DM 500 für den zweiten zum selbsttätigen Sektkaufen. Dem Sieger sollten zunächst weder Geld noch Spirituosen zukommen, sondern das Recht, Ende des Monats nochmal im Semifi- nale gegen weitere fünf Bands anzutreten, um dann vielleicht im Juni die beiden anderen allerbesten norddeutschen Newcomer-Bands an die Wand zu spielen und eine richtige CD zu produzieren.

Angesichts solcher Wichtigkeit hatte man als Austragungsort kein Schulzentrum sondern das Modernes gewählt, wo die sponsernde Radiostation alles unter strenger Kontrolle hatte. Überall wuselten Hilfskräfte in schlohweißen ffn-Overalls umher, die ffn-Gummibärchen und Publikumspreisstimmzettel verteilten. Selbstverständlich hatte man auch einen Moderator mitgebracht, der jede Band allzu ausführlich vorstellte. Kaum jemand konnte der Information Interesse abgewinnen, daß der zweite Saxopho-nist von links der dritten Band Uwe hieß, und so war aus dem einigermaßen zahlreich erschienenen Publikum schon mal ein beherztes „Schnauze!“ zu hören.

Den Bands gegenüber waren die Anwesenden freundlicher gesinnt. Schon nach dem durchschnittlichen Melodic-Rock der eröffnenden „Prite“ gab es Chöre, die Zugaben forderten, aber das war nicht drin im engen Zeitplan des Moder- nes, der wegen der Nachbarn keine Verzögerungen jenseits Mitternacht zuließ. Professionelle Zuhörer ließ das Gerocke derweil kalt. „Mein Geschmack ist das nicht,“ befand ein Nord-Bremer Band- Manager, der sich auf die Suche nach neuer Klientel in die Neustadt begeben hatte.

Daß junge Bands zu ersten Härtetests gerne haufenweise Fans aus ihrer Umgebung ankarren und nur von denen beklatscht werden, erwies sich als Trugschluß. Der Hinweis, daß die Gitarren/ Keyboard-Popper „Floyd George“ aus Bad Zwischenahn kamen, entlockte nur einer Kehle ein kennerhaftes „Yeah!“, aber die Gruppe macht spontan viele FreundInnen. „Die Musik ist irgendwie wie U2 oder INXS“, schwärmte Moni (25), „und der Sänger ist so süß!“

Noch mehr wurde jedoch für die vielköpfige Funk-Kapelle „Deep“ geschwärmt, die mit ihrer sonnenbebrillten Bläser-Gruppe „die beste Show geboten“ hätten, wie Mittzwanziger Eric ganz richtig meinte. Tatsächlich waren sie für viele Publikumsfavoriten. Etliche Gesichter waren dementsprechend lang, als die sympathischen Hannoveraner nicht mal einen Trostsekt erhielten.

Für viele blieb es ein Rätsel, wie die vielen Stimmzettel in nur zehn Minuten ausgezählt werden konnten. Ebenso rätselhaft wie die Vergabe des mit DM 500 dotierten Publikumspreises verhielt es sich mit der des Hauptpreises, der von einer verdächtig anonymen Jury vergeben wurde. Beide gingen an die ohnehin bekannte und beliebte Bremer Funk/Soul/Rap/Jazz-Formation „Call Me Names“, die zwar trefflich zu musizieren verstand, aber kaum den Charme der stilistisch und qualitativ ähnlichen „Deep“ erreichte.

Andreas Neuenkirchen

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