■ Landtagswahlen in NRW:
: Ende der Sprechblasenpolitik

Jetzt geht's los. Das Wahlvolk in Nordrhein-Westfalen will es so. Die Zeit der wechselseitigen Sprechblasenpolitik neigt sich dem Ende zu. Hier der über allem schwebende Johannes Rau, der glaubte, jede Schwäche seiner Regierung mit der eigenen Popularität zudecken zu können. Dort die grüne Opposition, die zu jedem politischen Problem per Antrag im Landtag kostenträchtige linkspopulistische Lösungen zu präsentieren pflegte. Anträge, die so nur jemand stellen konnte, der davon ausging, nie in die Verlegenheit zu kommen, das Geforderte umsetzen zu müssen. Damit ist nun Schluß. Auch in NRW müssen die Grünen den Forderungszauber durch konsistente Politikangebote ersetzen, die – oft genug – der eigenen Klientel nicht schmecken werden.

Das gleiche steht den Sozialdemokraten bevor, die, 15 Jahre lang von der absoluten Mehrheit verwöhnt, immer häufiger den Versuchungen der Macht erlagen und bequeme, ausgetretene politische Pfade einschlugen – etwa in der Kohlepolitik –, statt mit Elan Widerstände im eigenen Lager aus dem Wege zu räumen und neue, zukunftsträchtige Wege zu beschreiten. Es wird noch ein paar Tage dauern, den Schock der Wahlniederlage zu verdauen, doch dann werden auch die Sozialdemokraten bei den Sozialdemokraten – das Heer der opportunistischen Pöstchenjäger also ausgenommen – erkennen, daß mit der neuen Mehrheit parteiinterne Tabus viel leichter aufzubrechen sind und sich so Chancen für eine zukunftsträchtigere Politik ergeben. Vorausgesetzt, daß künftig auf beiden Seiten Argumente zählen, sonst nichts! Das wird grüne Entlarvungsstrategen, die immer noch dem naiven Kinderglauben anhängen, der Verwirklichung grüner Ziele stünde vor allem eine verräterische Sozialdemokratie im Wege, einiges abverlangen. Vice versa müssen endlich jene Sozis zur Vernunft kommen, die sich schon wieder an taktischen Spielchen erwärmen. Das Motto dieser Strategen: Jetzt die Grünen in der Regierung „entzaubern“, um danach wieder den alten Zustand zu erreichen.

Nein, die SPD muß endlich akzeptieren, daß die ökologischen Probleme sich eine politische Repräsentanz gesucht haben, die durch keine SPD-Politik wieder in den Schoß der Partei zurückzuführen ist. Je schneller sich die Sozis in NRW von diesem Irrglauben befreien, um so fester das Fundament für ein erfolgreiches rot-grünes Bündnis im bevölkerungsreichsten Bundesland. Funktionierte es hier, stünde Rot- Grün bald auch in Bonn auf der Tagesordnung. Für die SPD birgt diese Strategie Risiken. Aber auf leisen Sohlen führt kein Weg zur Macht.

Walter Jakobs