Zaire leidet unter vielen Krankheiten

Während die Regierung eine Ausweitung der Quarantänemaßnahmen gegen das Ebola-Fieber erwägt, erwecken die anderen Seuchen in der betroffenen Region kaum Aufmerksamkeit  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Zaires Behörden werden nervös. Nachdem erste Ebola-Fälle auch aus der Hauptstadt Kinshasa gemeldet wurden, kündigte die Regierung eine polizeiliche Suchaktion nach zwei angeblich untergetauchten Erkrankten an – einer Krankenschwester aus Kikwit und einem Bootsmann. Zudem forderte sie alle ausländischen Journalisten in Kikwit auf, sich bei der Rückkehr nach Kinshasa in eine 28tägige Isolation zu begeben. Zaires Gesundheitsminister Loyangela Bompenda drohte mit weiteren Polizeimaßnahmen: „Wenn die Quarantäne nicht aufrechterhalten werden kann, schließen wir das ganze Land.“

Während mehrere Nachbarländer, darunter Sudan und Angola, bereits Grenzschließungen zwecks Abschottung angekündigt haben, wird in der am stärksten betroffenen Stadt Kikwit vermutet, daß der Virus aus Angola eingeschleppt wurde. Der britische Journalist Mark Huband berichtete unter Berufung auf zairische Kollegen, ein 36jähriger Diamantenschmuggler namens Kinfumu sei Anfang April aus Angola auf der „Diamantenroute“ über Tschipaka nach Kikwit gelangt, dort erkrankt und im Krankenhaus gestorben.

Einen ersten Virusträger namens Kinfumu nennen auch nach Berichten aus Genf die in Kikwit arbeitenden Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem internen Rapport – sie aber beschreiben Kinfumu nicht als Reisenden, sondern als Laboranten einer örtlichen Klinik, der am 9. April mit hohem Fieber ins städtische Krankenhaus eingeliefert worden sei. Man habe Typhus diagnostiziert, und der Patient sei am 14. April gestorben. Unmittelbar danach sei das mit ihm in Berührung gekommene Personal erkrankt. Blutproben seien nach Belgien und von dort in die USA geschickt worden, wo am 9. Mai der Ebola-Virus festgestellt wurde.

Das WHO-Hauptquartier in Genf wollte gegenüber der taz diese Berichte zunächst nicht bestätigen; Sprecher Philippe Strood sprach von „Gerüchten, die noch überprüft werden“. In jedem Fall kann als sicher gelten, daß es bereits mehrere Wochen vor den ersten Präventivmaßnahmen Ebola- Erkrankungen gab. Laut WHO starben bislang 77 Menschen.

Weiterhin ohne internationale Aufmerksamkeit bleiben hingegen die anderen Tropenkrankheite, die seit längerem in der Provinz Bandundu um Kikwit verheerende Auswirkungen zeigen. Die Region leidet seit Monaten unter der Shigella-Krankheit, die wie das Ebola-Fieber mit blutigem Durchfall einhergeht; schon im August 1994 bezeichnete die Zeitung Le Soft den sogenannten „roten Durchfall“ als „endemisch“.

Seit längerem auf dem Vormarsch befindet sich in ganz Zentralafrika die von der Tsetse-Fliege übertragene oft tödliche Schlafkrankheit. In Angola meldet die WHO dieser Tage 30.000 Fälle. Sie wütet zur Zeit auch in der Region um den Ebola-Fluß im äußersten Norden Zaires, nach dem der Ebola-Virus benannt ist. Die belgische Zeitung Le Soir berichtet, daß erkrankte Dorfbewohner zu Hunderten Gesundheitszentren belagern – „vergebens, da es keine Medikamente gibt und der Preis einer Behandlung (2.000 Zaires = 50 Pfennig) ohnehin unerschwinglich ist“.

Aus der Umgebung von Kikwit meldeten zairische Zeitungen ein rasantes Ausbreiten der Schlafkrankheit bereits im letzten Sommer. In der Ortschaft Kingungi fanden Mediziner, schrieb die Zeitung La Référence Plus, so viele erkrankte Schulkinder, daß sie mit den Schulleitungen vereinbarten, die Zahlen geheimzuhalten, „um die Moral der Eltern nicht zu erschüttern“. Zur Ausbreitung soll beigetragen haben, daß die Behörden vorbeugend Schweine und Kühe erschießen ließen, woraufhin sich die Tsetse-Fliege jedoch verstärkt dem Menschen zuwand.

Den katastrophalen Zustand des zairischen Gesundheitswesens beklagen vor allem zairische Mediziner selbst. Bei den ersten größeren Protesten gegen die Mobutu- Diktatur im Sommer 1990 standen Kinshasas Ärzte an vorderster Front; in einem Protestbrief vom Juni 1990 beklagten sie „den unablässigen Verfall der sanitären Einrichtungen“ sowie „die Drohungen mit Entführung und Mord sowie die ständigen Übergriffe seitens der Sicherheitsdienste“. Als im Herbst 1991 plündernde Soldaten Kinshasa verwüsteten, verschwanden aus den Kliniken fast alle Einrichtungen bis hin zu Aids- Viruskulturen. Am 11. März dieses Jahres töteten Unbekannte während eines Gottesdienstes den Vizedirektor des zairischen Aids- Projektes, Lucien Kasela Palamamba, woraufhin der Ärztebund zu neuen Protesten aufrief.

Viele Kliniken in Zaire sind darüber hinaus verpflichtet, Soldaten umsonst zu behandeln und die Rechnung an die nächste Kaserne zu schicken – ohne Hoffnung, daß sie jemals bezahlt wird. Um nicht vollends pleite zu gehen, verlangen sie von Patienten saftige Gebühren, was viele Menschen vom Klinikbesuch abhält und auch dazu führt, daß Tote nicht abgeholt werden, da die Angehörigen dafür die ausstehenden Rechnungen begleichen müssen. Auch solche Umstände begünstigen die Ausbreitung von Krankheiten, vor allem unter dem Pflegepersonal selber.