Schwere Gefechte um Sarajevo

■ Tote und Verletzte bei serbischem Beschuß der bosnischen Hauptstadt / Akuter Versorgungsnotstand / Kroatien-Resolution im UN-Sicherheitsrat / Zagreb kündigt Rückzug aus den UN-Pufferzonen an

Sarajevo/Zagreb (AFP/rtr/dpa) – Bei heftigen Angriffen auf die bosnische Hauptstadt Sarajevo sind gestern mindestens zwei Personen getötet und elf weitere verletzt worden. Seit dem frühen Morgen lag Sarajevo unter dem stärksten Beschuß der bosnischen Serben seit 1993. Rings um die Stadt war nach Angaben der UN- Schutztruppe Granaten- und Maschinengewehrfeuer zu hören. In allen größeren Straßen waren Heckenschützen aktiv.

Die Kriegsparteien machten sich gegenseitig für die Kämpfe verantwortlich. UN-Vertreter schlossen nicht aus, daß die Regierungsarmee versuche, den Belagerungsring zu durchbrechen. Der bosnische Regierungschef Haris Silajdžić warf der UN-Schutztruppe vor, keine Nato-Angriffe angefordert zu haben.

In der bosnischen Hauptstadt droht jetzt ein akuter Versorgungsnotstand: Mitarbeiter der größten Bäckerei gaben bekannt, sie könnten kein Brot mehr backen, nachdem die Serben die Gasversorgung gekappt hatten. Die Stadt war per Luftbrücke zuletzt vor fünf Wochen versorgt worden.

Während in und um Sarajevo die Gefechte eskalieren, bereitet der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York eine Resolution vor, die sich mit den jüngsten Kämpfen in Kroatien befaßt. In dem am Montag bekannt gewordenen Entwurf heißt es, wenn die Konfliktparteien nicht von weiteren militärischen Maßnahmen oder Aktionen Abstand nähmen, werde der Sicherheitsrat Schritte erwägen, um durchzusetzen, daß solche Aktionen unterbleiben. Dazu gehörten auch Wirtschaftssanktionen gegen Kroatien, wie der Präsident des Sicherheitsrates, Jean-Bernand Merimée, erklärte.

Der Entwurf wurde von Deutschland vorgelegt, das derzeit die Aktivitäten der internationalen Bosnien-Kontaktgruppe am UN-Sitz in New York koordiniert. Der Text richtet sich, wie den Äußerungen Merimées zu entnehmen ist, in erster Linie an die kroatischen Streitkräfte. Diese waren in einer Offensive Anfang Mai in UN-Pufferzonen in der westlichen Krajina in Dalmatien sowie in Westslawonien eingerückt, wo sie mehrere serbisch kontrollierte Ortschaften erobert hatten. Trotz einer Zusicherung des kroatischen Außenministers Mate Granić vom Samstag, die noch in den Gebieten verbliebenen Soldaten würden bis Sonntag abgezogen, hatte sich bis Wochenbeginn erst ein Teil der Soldaten in Dalmatien zurückgezogen.

Offenbar um eine Verabschiedung der Resolution durch den Sicherheitsrat abzuwenden, sicherte der kroatische UN-Botschafter Mario Nobilo Montag nacht zu, die Soldaten in Westslawonien würden Dienstag bis 22 Uhr vollständig abgezogen. Demgegenüber erklärte der kroatische Botschafter in Deutschland, Ivan Ilić, der Rückzug der Truppen würde bis Sonntag erfolgen.

Um den Abzug der Soldaten dürfte es auch bei einem „Arbeitsbesuch“ des kroatischen Staatspräsidenten Franjo Tudjman gestern in Bonn gegangen sein. Außenminister Klaus Kinkel, den Tudjman gestern traf, hatte am Wochenende die kroatische Rückzugsankündigung begrüßt.

Die erfolgreiche kroatische Offensive in Westslawonien hat unterdessen bei den Krajina-Serben zu einem personellen Nachspiel geführt. Der „Oberkommandeur“ der serbischen Streitkräfte in den besetzten Gebieten Kroatiens, General Milan Celeketić, reichte nach starken Unstimmigkeiten in der Führung der Krajina-Serben seinen Rücktritt ein. Zur Begründung sagte Celeketić, nach der Niederlage der Serben habe er „keine moralische Kraft mehr“, um sein Amt auszuüben. In einem Schreiben an den „Krajina-Präsidenten“ Milan Martić bedauerte er, daß die aufständischen Serben „keine Hilfe von außen“ erhalten hatten. Zunächst war nicht klar, ob die Krajina-Führung sein Rücktrittsangebot angenommen hat.