Anklage gegen Karadžić noch dieses Jahr

■ Haager Tribunal zieht Verfahren gegen bosnischen Serbenführer an sich

Genf/Den Haag (taz) – Das Internationale Jugoslawien-Tribunal in Den Haag übernimmt das Verfahren der bosnischen Justizbehörden gegen den Führer der Pale- Serben, Radovan Karadžić. Gleiches gilt für Ermittlungen gegen den militärischen Oberbefehlshaber der bosnischen Serben, Ratko Mladić, sowie den heute als „Innenminister“ der „Serbischen Republik“ fungierenden ehemaligen Chef der Sonderpolizei, Mico Stanisić. Mit der Entscheidung folgte das Tribunal gestern einem Antrag des stellvertretenden Chefanklägers Blewitt vom Montag. Die Erhebung förmlicher Anklagen soll noch in diesem Jahr erfolgen.

Wie bislang die bosnischen Behörden, werden auch die Ankläger in Den Haag gegen die drei Serben wegen Völkermord, Mord, Folter, Vergewaltigung sowie der Zerstörung kulturellen und historischen Eigentums ermitteln. Laut Blewitt haben Vorermittlungen ergeben, daß „Karadžić einer der Hauptarchitekten des politischen Parteiprogramms“ der Pale-Serben sei, „das extrem nationalistische und ethnische politische Prinzipien und Ziele“ enthalte. Nach der „Verfassung“ der „Serbischen Republik“ mit Hauptsitz in Pale sei Karadžić als deren „Präsident“ auch Kommandant der Streitkräfte. Die Ankläger untersuchen die Verantwortung Karadžićs, Mladićs und Stanisićs für Verbrechen, die auf ihren Befehl hin von Untergebenen begangen wurden. Nach Informationen der taz sind die Ankläger bei ihren Ermittlungen gegen den 1994 in der Bundesrepublik festgenommenen und nach Den Haag überstellten Serben Dušan Tadić auf zahlreiche Beweise für die Existenz einer Befehlskette aus Pale an Untergebene gestoßen.

Nach Angaben von Blewitt ermittelten die Ankläger gegen Karadžić und andere Führungspersonen der Pale-Serben auch wegen der anhaltenden Belagerung Sarajevos und der Tötung und Verwundung Tausender BewohnerInnen der bosnischen Haupstadt durch serbische Soldaten. Andreas Zumach