Ordnungsgeld gegen Orlets Schöffinnen

■ Landgericht Mannheim ahndet Schöffinnen-Streik mit Geldbußen

Berlin/Mannheim (taz) – Jutta Eichner, die Schöffin, die sich Anfang des Jahres geweigert hatte, neben Richter Rainer Orlet am Landgericht Mannheim zu sitzen, ist mit einer Geldbuße von 700 Mark belegt worden. Eine andere Schöffin, die sich ebenfalls der Ersten Großen Strafkammer verweigert hatte, soll gar 1.000 Mark Ordnungsgeld zahlen. Die Strafen verhängte Kammervorsitzender Wolfgang Müller jeweils am Ende von Verhandlungen, zu denen die beiden Frauen ursprünglich als Schöffinnen vorgesehen waren. In beiden Fällen waren jedoch Ersatzschöffinnen benannt worden. Dennoch sei es für Schöffen nicht zulässig, aus Gewissensgründen einzelne Kammern zu boykottieren, begründete Wolfgang Müller.

Mit diesen Ordnungsgeldern stellt sich nun jene Ruhe am Landgericht ein, die sich Gerichtspräsident Günter Weber (58) herbeigesehnt hatte. Egal ob die Frauen zahlen oder beim Oberlandesgericht in Karlsruhe eine Beschwerde einlegen werden, auf jeden Fall hat sein Gericht damit nichts mehr zu tun. Und Rainer Orlet, dessen Name auf immer mit Günther Deckert, Chef der NPD, einhergehen wird, ist ja seit vorgestern im vorzeitigen Ruhestand. Die beiden Kammern, denen er angehörte, werden neu besetzt.

Bislang wurden die Ordnungsstrafen lediglich mündlich ausgesprochen, noch flatterten den beiden Frauen keine Bußgeldbescheide ins Haus. „Dennoch sind die Ordnungsstrafen gültig“, betonte Landgerichtspräsident Günter Weber gestern. Zugegeben, das Strafmaß sei „empfindlich, aber schließlich handelt es sich nicht um ein Bagatelldelikt“. Das Ordnungsgeld soll auch eine abschreckende Wirkung haben.

Zumindest eine Schöffin wird nicht zahlen. Jutta Eichner, grüne Lokalpolitikerin in Mannheim, bleibt standhaft. Der taz hatte sie im Februar gesagt, ihr erschiene es wie eine späte Beihilfe zum Deckert-Urteil, würde sie der „Orlet- Kammer“ als Laienrichterin beisitzen.

Sobald sie die schriftliche Zahlungsaufforderung in der Hand hat, will Eichner die Beschwerde gegen das Ordnungsgeld einlegen. Juristischen Rat hat sie bereits beim ehemaligen Verfassungsrichter Helmut Simon eingeholt.

Ein sogenannter Patenkreis, dem der Mannheimer Industriepfarrer Martin Huhn, Gewerkschafter und rot-grüne PolitikerInnen angehören, bestärkt sie. Auch wenn Orlet pensoniert sei, dürfe man nicht einfach zu Tagesordnung übergehen. Die Kammer habe bei der Bestrafung lediglich den Artikel 101 des Grundgesetzes – jeder hat das Recht auf den gesetzlichen Richter – gewürdigt, nicht jedoch die grundgesetzlich verbriefte Gewissensfreiheit. „Die Bestrafung der Schöffinnen ist verfassungswidrig“, sagte Huhn gestern. „Sie verstößt eindeutig gegen das Grundgesetz.“ Annette Rogalla