Fortan will sich Neonazi der Hühnerzucht widmen

■ Rechtsradikaler Arnulf Priem will angeblich raus aus der Szene und sich statt dessen auf einem Hof niederlassen / Doch zuvor wird ihm der Prozeß gemacht

Berlin (taz) – Der militante Rechtsextremist Arnulf Priem muß sich seit gestern vor dem Landgericht Berlin verantworten. Ihm werden zahlreiche Propagandadelikte vorgeworfen, die Bildung bewaffneter Haufen und Verstöße gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Priem ist weitgehend geständig. Doch sein durchsichtiger Versuch, sich dem Gericht als müder Rechter zu verkaufen, der sich nicht mehr politisch engagieren will, brachte den Vorsitzenden Richter gestern mehrmals in Rage.

Der 47jährige Priem, der seine Wohnung samt Gardinen mit SS- Aufnähern, Kaffeetassen mit SS- Aufdruck und jeder Menge Uniformen in „eine Art Museum“ verwandeln wollte, gilt als einer der führenden Köpfe der Neonazi- Szene. Der arbeitslose Industriekaufmann war Berliner Landesvorsitzender der 1992 verbotenen Neonazi-Organisation „Deutsche Alternative“ (DA), er organisierte Aufmärsche zu Hitlers Geburtstag und betrieb einen extremen Germanenkult. Er sagte gestern, er habe von alledem „die Schnauze voll“. Auch reiche seine Leistungsfähigkeit für Exkursionen von „Wotans Volk“, einer „Jugendgruppe“ des von ihm gegründeten „Asgard-Bundes“, nicht mehr aus. Er wolle aus Berlin wegziehen, heiraten und seinem Hobby, der Geflügelzucht, frönen.

Priem sitzt seit August letzten Jahres in Untersuchungshaft. Er war gemeinsam mit 24 Rechtsextremen in seiner Wohnung festgenommen worden. Er hatte die „Kameraden“ zum Schutz angefordert, weil er sich von Autonomen bedroht fühlte, die anläßlich des Todestages von Rudolf Heß zu einer Demo gegen Rechtsradikalismus aufgerufen hatten. Vom Dach des Hauses aus waren Journalisten mit Katapulten beschossen worden, wobei ein WDR-Journalist leicht verletzt wurde. Der einschlägig vorbestrafte Priem, der 1968 aus der DDR abgeschoben worden war, wollte dem Gericht weismachen, daß er „über einige Waffen sehr erbost“ gewesen sei. Auch für die 220 Gramm Sprengstoff im Ofenrohr seiner Wohnung habe er keine Erklärung. Normalerweise bewahre er darin „Kinderspielzeug zum Verschenken“ auf. Die Polizei hatte außerdem scharfe Pistolen, Luftdruckgewehre, Molotowcocktails und Propagandamaterial in seiner Wohnung beschlagnahmt.

Priem, der die Ausschreitungen in Hoyerswerda als „Prozeß der Selbstreinigung“ bezeichnete, der „Sieg Heil!“-Rufe als „euphorische“ Stimmungsmacher empfindet und der gestern vor Gericht sagte, daß Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, sein Vorbild sei, wollte dem Richter trotzdem weismachen, daß „in gewisser Beziehung ein innerer Wandel vorstellbar“ wäre. Das Urteil wird für nächsten Dienstag erwartet. Barbara Bollwahn