■ Udo Lindenberg feierte Geburtstag und eine neue Platte
: „Das weiß ja jeder“

Hamburg (taz) – Viele Worte hat Udo Lindenberg in frühen Jahren über das Altern verloren. Mal coverte er die Beatles und quengelte „Wirste mich lieben, wenn ich 64 bin?“, und dann die rührende Geschichte mit der Frau: „Sie ist 40, und sie fragt sich, war das jetzt schon alles“. Was denkt so einer, wenn er selbst sich fragen muß, ob das schon alles war?

Udo fragt nicht, Udo antwortet. Gestern wurde er 49 Jahre alt und brachte zeitgleich seine neue CD „Kosmos“ heraus. Um diesen Doppelanlaß zu feiern, lud er am Dienstag abend ins Hamburger Atlantik-Hotel ein. Dort nämlich ist Udos neue Bleibe, nachdem er jahrelang im Vier-Jahreszeiten gehaust hatte, fand nun die legendäre Alsterüberquerung statt. Er selbst begründet das so: „Ich wollte die Wellen mal von der anderen Seite sehen.“ Verständlich für einen, der das Leben als „ewige Wanderung, als Ralley“ interpretiert.

Im „kleinen Festsaal“ des Hotels hatten sich zur besten Fernsehzeit Freunde, Journalisten und Plattenverkäufer versammelt – aber „panische Zeiten“ brachen nicht gerade los. Doch so ist das, weiß auch Udo, „Ebbe und Flut, der Lindische Ozean“, und mit Häppchen und Drinks versehen, übersteht die Menge auch enervierende, abgelesene Ansprachen von Udos Plattenbossen, die Udos neuem Album ungefähr den pophistorischen Stellenwert von „Sgt. Peppers“ einräumten.

Am Tresen psalmodieren windschnittige Vertreter von Karstadt und Saturn-Hansa, daß ja wohl „jeder seine eigene Philosophie“ habe. Und Udo? Udo greift sich das Mikro und erzählt. Endlich. „Es wird ja viel geredet, erzähle, erzähle und Gezwitscher, aber wenn ich an meiner Haut rieche, dann riecht das immer noch nach guter Lindenblüte und noch nicht nach Denkmal, und jetzt hoch die Tassen!“ Dann greift jemand ins Klavier, Udo tänzelt herum und karikiert sich selbst. Da sind sie, die „Schleuderknie“, der Hut, das Genuschel und der „Mikrofonschleudertest“. Puh, neue Songs. Im ersten räsoniert Udo sentimental vor sich hin, doch dann schäkert er los, „ich bin ein Single“, die Anwesenden sind gerührt.

Gegen 23 Uhr ist alles nicht mehr so einfach, die Vertreter werden ausfällig, die Gespräche mutieren zu energischen Vorträgen, und groß ist die Freude über eine Ausstellung mit Bildern, die Lindi zu jedem Song angefertigt hat, sehr naturalistisch, sehr bunt, viel Miro', wenig sonst. Hatte Udos Plattenboß zuvor noch betont, daß Udo mit „Kosmos“ seine „Dämonen vernichtet“ habe, so ist das Gegenteil der Fall: Ein paar Treppen höher feiert ein Destillat weiter, ungefähr vierzig beste Freunde Lindenbergs, bereichert durch diverse Dämonen. Gut, daß soviel Champagner da ist, da muß man nicht soviel reden, und so schwitzen alle trunken der Mitternacht entgegen. Udo ist inzwischen dazu übergegangen, jedem Satz ein lakonisches „das weiß ja jeder“ anzufügen. Um Punkt zwölf ist die Luft angefüllt von alkoholdünstenden Geburtstagsovationen, Zellophan raschelt tausendfach, und Udo kriegt Geschenke, die allesamt groß, teuer und versuchsweise extravagant erscheinen. Aber trotzdem so richtige Nutzgeschenke, da ist der Plattenboß wieder der originellste: Er schenkt Udo eine Fahrt zum Mond. „Jaja, das geht jetzt, sobald das kommerzialisiert ist, steht der Udo auf der Warteliste, paßt ja auch ganz gut, Kosmos und Mond, hehe, naja, Udo, Du stehst ungefähr an Stelle viertausend, Junge, halt so lange durch!“

Udo ist willens, „klar, Mann, abgemachte Sache“. Ob er da nicht Angst hat? „Ich bin da sehr frei in meinen Stilistiken.“ Das weiß ja jeder, also war das jetzt noch nicht alles? Benjamin von Stuckrad-Barre