■ Klinsmann-Extra im deutschen Fernsehen
: Ich protestiere!

Die ARD ändert ihr Programm und schiebt um 20.15 Uhr exklusiv eine Sondersendung ein, direkt nach der „Tagesschau“. Was ist passiert? Hat das Ebola-Virus auf New York-City übergegriffen? Hat Kinkel die Konkursmasse der FDP endlich aufgelöst? Ist Karadžić von UN-Soldaten im Handstreich entführt und als Kriegsverbrecher nach Den Haag ausgeliefert worden? Nein, es ist alles viel dramatischer: Ein deutscher Fußballspieler, blond und blauäugig, hat einen Dreijahresvertrag unterschrieben und kickt fortan wieder in der Bundesliga, beim Branchenführer FC Bayern. Jürgen Klinsmann heißt er, hierzulande kurz und zärtlich Klinsi genannt.

Ja, ja, der Klinsi ist allemal einen Aufmacher und eine Sondersendung wert. Wie er immer so schön lächelt. Und seinen Vertrag hat er ganz allein ausgehandelt. Das hat er in Italien gelernt. Natürlich verdient er mit seinen 10,5 Millionen Mark in drei Jahren auch, sagen wir mal, vierzehnmal soviel wie Günter Grass. Aber der tut sich ja auch beim Fallrückzieher ein bißchen schwer und kann keine Mannschaft mitreißen wie der Klinsi. Im Fernsehen ist er richtig eloquent, sympathisch, einfach nett. Dem würd' ich meine Tochter geben, wäre da nicht dieses Fotomodell!

Im Grunde trägt der Junge ja einen klitzekleinen, aber doch gut sichtbaren Heiligenschein. Deshalb auch das güldene Haupthaar. Das Problem ist nur: Bei den Bayern ist die Position der Lichtgestalt mit Kaiser Franz Beckenbauer schon besetzt. Aber die Bayern besetzen sowieso alle zentralen Positionen doppelt, sonst hätten sie mit Herzog und Sforza nicht zwei identische Spielmacher eingekauft.

Zurück zu Klinsi: Was bei der Sondersendung irgendwie noch gefehlt hat, waren die Blitzschaltungen zu den Korrespondenten, die dann im Trench in der Downing Street oder vor dem Weißen Haus das Ereignis hätten kommentieren können. Und natürlich die Kurz-Statements von Passanten auf der Straße – „Klinsi? Find' ich klasse!“ – und ein paar aktuelle TED-Umfragen. Da fehlt der ARD noch die Professionalität. Gerne hätten wir auch nähere Details von der Bäckerei Klinsmann gesehen, ein Bild von Mutter, Vater, Geschwistern, von den Mitspielern in der E-Jugend, vom Klassenlehrer, der ersten Freundin. Wo blieben die Aufnahmen von Klinsi in Lederhose?

Und überhaupt: Warum ist uns der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und neue Mittelstürmer des FC Bayern München eigentlich nur 20 Minuten Sondersendung wert? ARD, ich protestiere! Manfred Kriener