■ Bonner Experten-Hearing zur Bioethik-Konvention
: Anlaß zu Mißtrauen

Es wurde Zeit, daß die Bonner Abgeordneten sich endlich einmal eingehender mit der geplanten Europäischen Bioethik-Konvention befassen. Schon zu lange hat die Mehrheit des Bundestages gezögert, sich in die Entscheidungsprozesse des Europarates einzumischen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hatte zwar die erste Fassung der umstrittenen Konvention abgelehnt, aber auch der jetzt vorliegende Text läßt die Möglichkeit unzumutbarer Einschränkungen von Patientenrechten zu. Zu viele Frage sind offen geblieben und sollen später in sogenannten Erläuterungen aufgenommen werden.

Entschieden entgegengetreten werden muß schon dem Versuch, Menschen in zwei unterschiedliche Kategorien einzuteilen: „Personen“ mit allen ihnen zustehenden Rechten einerseits und Menschen, die zumindest teilweise dem Zugriff der Medizin ausgesetzt werden sollen andererseits. Nicht einwilligungsfähige Personen dürfen weder der forschenden Medizin noch einer angeordneten Organentnahme ausgesetzt werden. Jede Konvention, die das nicht eindeutig festschreibt, sollte zurückgewiesen werden. Auch die so häufig eingeklagte Wissenschaftsfreiheit darf kein Hinderungsgrund sein: Dem Machbarkeitswahn der Gentechniker und Mediziner müssen Grenzen gesetzt werden.

Die Vertreter der neuen Bioethik wußten, warum sie jahrelang in ihren Gremien des Europarates hinter verschlossenen Türen berieten. Nicht umsonst wurden die erstellten Papiere mit der Anmerkung „Vertraulich“ versehen. Selbst die Ärzte, die mit der Europäischen Konvention eine Richtschnur für ihr Handeln bekommen sollen, erfuhren im vergangenen Jahr erst durch eine Indiskretion von dem Konventionsentwurf.

Als Heuchelei muß daher das Verhalten der Bundesärztekammer bezeichnet werden. Beschwert sie sich doch darüber, daß ihr „die Möglichkeit zur Stellungnahme erst zum jetzigen Zeitpunkt eingeräumt wurde“, obwohl der wissenschaftliche Leiter des offiziellen Mitteilungsorgans der Ärztekammer von Anfang an in dem Vorbereitungsgremium beim Europarat mit der Erstellung der Konvention befaßt war. Doch erst nachdem KritikerInnen die Konvention publik machten, sah sich die Ärztekammer genötigt, ihre Zwangsmitglieder zu informieren.

Mit der Expertenanhörung in Bonn ist der erste Schritt getan, damit die Abgeordneten der Bundesregierung Eckpunkte für das weitere Abstimmungsprozedere im Europarat mit auf den Weg geben können. Doch damit darf es dann nicht getan sein. Sowohl die weitere Entwicklung in Straßburg als auch die Beratungen für eine weitere Bioethik-Konvention, die derzeit bei der Unesco sattfindet, sollten mit einer großen Dosis Mißtrauen verfolgt werden.

Wolfgang Löhr