Im Konzerthaus: Juliette, die 68erin

Wie man sie doch nennt: „Ikone, Legende, Monument, Relikt“, ja sogar „Standbild“. Wörter werden gesucht, mit denen Nostalgie zementiert werden kann. Für immer natürlich, denn daß Juliette Greco – die „Grande dame des französischen Chansons“, die Bohemienne der In-Viertel von Paris in den fünfziger Jahren – in zehn Jahren auch noch auf der Bühne steht, ist zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich.

Also setzt man ihr Denkmäler, versteinert sie, „schwelgt in Erinnerungen“ oder versucht zumindest, sich dadurch zu vergegenwärtigen, daß man selbst schon eine Vergangenheit hat. Die wird durch sie zurückgeholt als: dunkle Schönheit / ganz in Schwarz / ein Liebeslied und ein Lied der Freiheit, ja sogar der gesungenen Revolution / ein Hauch Existentialismus, und in dem Zusammenhang ein schneller Versuch, sich an ein paar Namen zu erinnern: Sartre, Prévert, Camus, Malraux, de Beauvoir / auch das geschafft.

Und dann, was war da noch? Ein Lied natürlich, welches bloß? Eins, das man mit ihr verbindet, und mit wem noch? Vergessen. – Heute tritt die mittlerweile 68jährige wieder auf. Im Kammersaal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt (20 Uhr). Und wenn man will, ist sie dieselbe wie früher, nur daß ihre Stimme dunkler, tiefer geworden ist. Das steht ihr gut. Daß sie jedoch einen Hauch von unscharfem Licht braucht, um die Greco zu sein, das macht sie lebendig. Spuren zu verwischen ist letztlich doch menschlich. ws