Priem denkt nur noch an die Hühnerzucht

Der Neonazi Arnulf Priem versucht dem Gericht weiszumachen, er sei längst auf dem Weg der Ablösung von seinem rechtsradikalen Umfeld / Vom Sprengstoff im Schornstein will er nichts gewußt haben  ■ Von Barbara Bollwahn

So kennt man Arnulf Priem von Fotos: mit SS-Totenkopf- Stirnband, Bomberjacke in Tarnfarben, Jeans-Kutte mit eisernem Kreuz, schwarzer SS-Reiterhose und schwarzen Lederstiefeln. Ein martialisches Outfit, das den Germanenkult-Anhänger als Hünen erscheinen ließ.

Doch vor Gericht, vor dem er sich seit Dienstag wegen zahlreicher Propagandadelikte, der Bildung bewaffneter Haufen und Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verantworten muß, sitzt ein eher kleiner, untersetzter Mann in Pullover, Jeans und Turnschuhen. Unter dem grünen Sweatshirt schaut nur der Rand eines Tarnfarbenhemdes hervor und das dünne graue Haar ist weniger fettig.

Der Prozeß gegen Priem, der bereits in der DDR wegen faschistischer Umtriebe im Gefängnis saß, der über ein umfangreiches Vorstrafenregister verfügt und vom Verfassungsschutz als militant eingestuft wird, findet unter Bewachung eines großen Polizeiaufgebotes statt. Die Besucher müssen sich strengen Einlaßkontrollen unterziehen.

Vor Gericht steht einer der führenden Köpfe der Neonaziszene, der Richter Hans-Jürgen Brüning weismachen will, daß er eigentlich schon seit geraumer Zeit aus der rechten Szene habe aussteigen wollen. Seitdem Priem im August letzten Jahres in seiner Wohnung in der Osloer Straße im Wedding festgenommen wurde, sitzt er in Untersuchungshaft.

Er hatte über zwanzig Kameraden zu seinem Schutz angefordert, die ihn mit Molotowcocktails, Ziegelsteinen, Luftdruckgewehren, manipulierten Gas- und Schreckschußpistolen und Katapulten gegen einen von ihm befürchteten Angriff von Antifas verteidigen sollten. Diese hatten am Todestag von Rudolf Heß zu einer Demo gegen Rechtsradikalismus aufgerufen, die nach einer Gerichtsentscheidung nicht vor Priems Wohnhaus enden durfte.

Ein als Zeuge vernommener Polizist sagte vor Gericht, daß er „überrascht“ gewesen sei über die Menge an beschlagnahmten Waffen. Bei der Wohnungsdurchsuchung fanden die Polizisten auch 220 Gramm Sprengstoff, versteckt in einem Ofenrohr.

Priem, gegen den auch im Zuge der Briefbombenattentate auf österreichische Politiker ermittelt wurde, weil er sich mit Kontakten zu den mutmaßlichen Drahtziehern gebrüstet haben soll, will von dem Sprengstoff nichts gewußt haben. „Ich finde das komisch“, so sein lapidarer Kommentar. Allen Ernstes behauptet er, in diesem Versteck normalerweise „Spielzeug zum Verschenken“ aufzubewahren.

Der 47jährige arbeitslose Industriekaufmann, der in Freiburg Mitglied und Kandidat der NPD war, gründete dort 1974 die „Kampfgruppe Priem“. Sie „kämpfe“ unter anderem für die „Entlarvung der Greuelpropaganda über die Konzentrationslager des Dritten Reiches“.

Der Neonaziführer beteuert vor Gericht außerdem, daß bereits in den achtziger Jahren „gewisse Ermüdungserscheinungen“ bei ihm aufgetreten seien. Als „Beweis“ führt er die Auflösung seiner „Kampfgruppe“ 1984 an. Auf die Frage des Richters, wieso die Gruppe, die nach Priems Angaben nichts weiter als ein harmloser Campingverein gewesen sein soll, dann „Kampfgruppe“ hieß, antwortet er: „Weil das ganze Leben ein Kampf ist.“ Da platzt dem Richter nicht zum erstenmal die Hutschnur: „Langsam reicht es mir!“ fährt er den Angeklagten an. Dieser gibt als Erklärung für sein Weitermachen den Tod von Michael Kühnen an, den er „in zwanzig Jahren als Freund und Mensch schätzen und kennengelernt“ habe. Er habe sich verpflichtet gefühlt, weiter für die rechte Sache zu kämpfen. „Es mußte jemand in die Bresche springen.“ Priem war Landesvorsitzender der mittlerweile verbotenen Deutschen Alternative (DA). 1992 wollte er als Kandidat für die DA ins Abgeordnetenhaus einziehen.

Auch als die DA längst verboten war und Priem sich angeblich längst aus der rechten Szene habe zurückziehen wollen, äußerte er sich 1993 auf einem DA-Parteitag mehr als unmißverständlich: „Mir wäre eigentlich auch lieber, ich könnte, anstelle hier zu euch zu sprechen, irgendwas tun, zum Beispiel Unwissende erleuchten. Den Bundestag mit einem Flammenwerfer als Beispiel.“

Die Ereignisse in Hoyerswerda bezeichnete er als „Prozeß der Selbstreinigung“ und versprach, „ich bin nicht der letzte, der da mitmacht, daß wir den Prozeß stetig in Gang halten“. Weiterhin drückte er seine Hoffnung aus, daß die DA bald „sozialistisch nationale Alternative“ heißt. „Die Abkürzung hört sich besser an.“

Priem gibt seine rassistischen und nationalsozialistischen Äußerungen vor Gericht freimütig zu. Von Distanzierung keine Spur. „Bedauern“ nur deshalb, „weil solche Äußerungen strafrechtlich angegriffen werden können“. Vor Gericht bekräftigt er, daß der mit der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragte SS-Führer Reinhard Heydrich nach wie vor sein Vorbild ist.

Der Angeklagte, in dessen Wohnung von Gardinen über Kaffeetassen bis hin zur Unterwäsche so ziemlich alles mit NS-Symbolen verziert ist, will dem Gericht vormachen, sich in Zukunft von jeder politischen Tätigkeit fernzuhalten und statt dessen Geflügelzucht zu betreiben. Als der 47jährige seine Absicht mit Kindheitserinnerungen an Hühner und Kaninchen untermauern will, wird Richter Brüning erneut ungehalten, und er unterbricht ihn mit den Worten: „Es reicht!“

Von einem Ausstieg aus der rechten Szene spricht Priem nicht, lediglich von einem „logischen Rückzug“: „Ein Ausstieg aus der Szene wäre, zu leugnen, was ich versucht habe zu vertreten.“ Er habe angeblich keine Lust mehr, als „Don Quichotte gegen Mißstände zu kämpfen“. „Wenn Gutes nur auf schlechte Art zu erreichen ist“, stimme etwas nicht. „Garten und Hühnerzucht sind bedeutend ruhiger als politischer Kram“, beteuert er mit Unschuldsmiene. Auf Exkursionen der Organisation „Wotans Volk“, der Jugendgruppe des heidnisch-germanischen „Asgard-Bundes“, hat Priem auch Vorträge über die „Dummheit der Polizei und Justiz“ gehalten. Das Urteil soll am Dienstag verkündet werden.