Grüne präsentieren die Ökosteuer

Parlamentarier legen ersten konkreten Vorschlag für ökologische Steuerrefom vor / Ökosteuern als Stütze des Steuersystems / Umbau finanzieren und Milliarden zurückgeben  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Wer Energie verpraßt, soll blechen – und wer Energie spart, profitieren. So generell formuliert findet das Konzept einer ökologischen Steuerreform sogar in der Bundesregierung Anhänger. Doch sobald es konkret werden soll damit, wer wieviel mehr für Kohle, Öl, Gas und (Atom-)Strom zahlen muß, drückt sich die Regierung.

Diese heikle Aufgabe hat gestern die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen übernommen. Ihr Abgeordneter Rainder Steenblock stellte in Bonn das bündnisgrüne Konzept für eine ökologische Steuerrefom vor. Diese Reform soll in den kommenden zehn Jahren die Besteuerung des Umweltverbrauchs zum Eckpfeiler des Steuersystems machen.

Die Kernpunkte: Energie wird ab 1996 grundsätzlich jedes Jahr um sieben Prozent teurer. Die Mineralölsteuer wird 1996 um 50 Pfennige und jedes folgende Jahr um 30 Pfennige erhöht, die Milliardensubventionen für den Energieverbrauch werden gestrichen und die eingenommenen Milliarden für den ökologischen Umbau und die Senkung von Steuern und Sozialausgaben genutzt.

1996 wollen die Bündnisgrünen mit einem Steuersatz von 1,30 je Gigajoule Energie 18,5 Milliarden Mark einnehmen. Benzin würde dadurch im ersten Jahr zusätzlich um vier Pfennige je Liter, Heizöl um fünf Pfennige und der Kubikmeter Erdgas um vier Pfennige teurer. Die Steuer orientiert sich je zur Hälfte am klimaschädlichen Kohlendioxidausstoß und am Energiegehalt. Für Atomstrom muß eine Risikozulage gezahlt werden.

Gemeinsam mit 40,5 Milliarden Mark Einnahmen aus der kräftig erhöhten Mineralölsteuer und sieben Milliarden Mark gekürzten Subventionen bei der Mineralölsteuer ergeben sich Gesamteinnahmen von 66 Milliarden Mark, rechnet Steenblock vor. Davon sollen für die Förderung von Bussen und Bahnen sowie einer umweltfreundlicheren Energieerzeugung rund 27 Milliarden Mark ausgegeben werden. Zehn Milliarden Mark sollen als Umstellungshilfen wirtschaftliche Probleme abfedern, und 30 Milliarden Mark könnten über geringere Beiträge zu den Sozialversicherungen und Steuersenkungen den BürgerInnen und Unternehmen zurückgegeben werden.

Bis zum Jahr 2005 wären die Heizölpreise dann um 90 Prozent gestiegen, die Preise für Erdgas um 65 Prozent und für Braunkohle ebenfalls um 65 Prozent. Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer, einer leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe und der Energiesteuer wären nach dem Modell auf über 260 Milliarden Mark gestiegen – und hätten etwa das Niveau der heutigen Lohnsteuereinnahmen. Die Rückgabe über Steuern und Sozialversicherungsbeiträge würden entsprechend rund 230 Milliarden Mark erreicht haben.

Mit der Erhöhung der Mineralölsteuer wollen die Bündnisgrünen den Auto- und Flugverkehr entgegen dem Trend deutlich reduzieren und 40 bis 50 Prozent weniger Sprit verbrauchen. Sie kommen damit gleichzeitig einer Forderung des Sachverständigenrates für Umwelt der jetzigen Bundesregierung nach, der eine solche Erhöhung der Mineralölsteuer im vergangenen Sommer vergeblich von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) verlangt hatte.

Wirtschaftlich profitieren würden von dem Projekt ökologische Steuerreform vor allem Busse und Bahnen. Sie sollen den Personentransport in den kommenden zehn Jahren allein um 190 Prozent steigern. Der Solarindustrie soll schon ab 1996 mit einem 100.000-Dächer-Programm auf die Füße geholfen werden, und Investitionskostenzuschüsse würden auch für andere regenerative Energiequellen bereitstehen.

Für den Ausstieg aus der Atomkraft und eine ökologische Energiewende sollen nach den Plänen bis zum Jahr 2005 rund 70 Milliarden Mark zur Verfügung stehen, für die Verkehrswende gar 200 Milliarden Mark.

Das Riesenprojekt soll nach dem Willen der Bundestagsfraktion jetzt intensiv diskutiert werden. Für den 15. Juni haben die Bündnisgrünen zu einer Anhörung mit Wissenschaftlern in den Bundestag eingeladen. Anschließend wird in der Partei auf allen Ebenen weiterdiskutiert.

Die Wirtschaft nimmt die Pläne offenbar sehr ernst. So beschäftigte sich das Handelsblatt gestern ausführlich mit den grünen Steuerplänen. Eine Vorreiterrolle unter den Industriestaaten, wie es die Bündnisgrünen wollen, gilt hier als suspekt. Die Grünen müßten noch die fehlende Sensibilität für Besitzstände entwickeln.