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Braunschweiger Sakraltourismus

■ Die Kunst des Mittelalters wird im Sommer für ein paar Wochen zum Reisehit in Norddeutschland

Braunschweig Mittelalterliche Kostbarkeiten aus aller Welt sollen Braunschweig demnächst wie einst im Mittelalter zu einem Zentrum sakraler und höfischer Kunst machen – zumindest für einige Wochen. Museumsdirektor Jochen Luckardt kann sich schon jetzt die Hände reiben: Das Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum hat Zusagen für alle 400 gewünschten Stücke. Sie werden anläßlich des 800. Todestages von Heinrich dem Löwen vom 6. August bis 12. November in einer großen Ausstellung in der Burg Dankwarderode gezeigt. Mehr als 100.000 Besucher werden zu der Ausstellung „Heinrich der Löwe und seine Zeit – Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235“ erwartet.

Die Ausstellungsstücke werden aus Versicherungsgründen erst kurz vor der Eröffnung in Braunschweig eintreffen. Viele Kunstwerke stammen aus dem legendären Welfenschatzes, der 1671 von Braunschweig in den Besitz der hannoverschen Welfen kam und von dort aus 1930 verkauft wurde. Aus Cleveland wird beispielsweise ein Apostel-Armreliquiar aus dem Jahr 1200 erwartet. Das aus vergoldetem Silberblech bestehende Stück wurde vermutlich von Heinrich dem Löwen selbst in Auftrag gegeben. „Armreliqien waren eine Spezialität des Welfenschatzes“, erläutert Luckardt.

Das größte Exponat ist jedoch der Löwe selbst. Dem Bronzetier gegenüber soll die Aachener Lupa Platz nehmen. Diese Wolfsstatue ließ vermutlich Karl der Große anfertigen, um zu dokumentieren, daß Aachen ein zweites Rom sei. Die Verbindung zu Braunschweig: Mit dem weitaus größeren Löwen – einst die erste freistehende Großplastik nördlich der Alpen – nahm Heinrich für sich in Anspruch, daß seine Stadt noch mächtiger ist. Eine andere Attraktion von internationalem Rang kommt aus der Eremitage in St. Petersburg. Das reich verzierte Emailkästchen der Hl. Valerie aus dem Jahr 1170 zeigt das Schicksal der frühchristlichen Märtyrerin.

Doch nicht nur die Exponate, die einen weiten Weg bis Braunschweig zurücklegen müssen, dürften das Besucherinteresse wecken. Aus der nahen Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel wird das vor zwölf Jahren für 32 Millionen Mark ersteigerte Evangeliar Heinrich des Löwens für sechs Wochen nach Dankwarderode gebracht. Die restlichen zwei Wochen der Austellung müssen sich die Zuschauer mit einem Faksimile begnügen. Das Evangeliar darf grundsätzlich in zwei Jahren nur für sechs Wochen ausgestellt. Ständig im Original zu bewundern ist dagegen im Braunschweiger Dom ein mächtiger siebenarmiger Leuchter, den Heinrich 1188 stiftete.

Gegenüber der Burg Dankwarderode, im Landesmuseum, können Besucher einen Blick hinter die Kulissen des Nachtlebens des mächtigen Fürsten werfen. Besondere Aufmerksamkeit verdient schließlich der Kaisermantel von Otto IV., einem Sohn Heinrichs und der einzige Welfe, der es zu Kaiserwürden brachte. Glücklicherweise gehöre der Purpurmantel dem Herzog Anton Ulrich-Museum. „So ein Stück leiht einem niemand. Der Transport wäre viel zu gefährlich.“ Das textile Kunstwerk wurde 1858 in der heutigen Braunschweiger Universität wiedergefunden. Dort war zweckentfremdet worden: Mit dem Kaisermantel wurde ein Globus abgedeckt.

Anita Pöhlig, dpa

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