Die PDS-Frage wollen Grüne vermeiden

Mit drei Parteitagen am Wochenende wird endgültig der Wahlkampf eingeläutet: Bündnisgrüne und FDP wählen ihre Landeslisten, und die CDU darf ihren Spitzenmann Diepgen absegnen  ■ Von Severin Weiland

Den bündnisgrünen Mitgliedern wird hartes Sitzfleisch abverlangt, der CDU feministische Einsichten und den Liberalen nach dem Rücktritt ihres Parteivorsitzenden Klaus Kinkel ein gerütteltes Maß an Optimismus. Auf gleich drei Großveranstaltungen wird an diesem Wochenende eine schwindelige Kandidatenkür veranstaltet.

Bündnisgrüne Hürden

Den Anfang machten bereits gestern abend Bündnis 90/Die Grünen auf ihrer Mitgliedervollversammlung (MVV) im Straßenbahndepot in Moabit. Bis einschließlich Sonntag soll in der dreitägigen Marathonsitzung die Landesliste gewählt werden. 62 Kandidaten inklusive der Nachrücker haben ihr Interesse angemeldet. Doch nur die ersten 18 bis 20 Plätze der Landesliste gelten als sicher – vorausgesetzt, die Partei erhält bei der Abgeordnetenhauswahl am 22. Oktober zwischen 10 und 14 Prozent. Mit besonderer Spannung wird die Abstimmung bei jenen Mitgliedern der Abgeordnetenhausfraktion erwartet, die zwei Legislaturperioden im Parlament hinter sich haben oder als Senator beziehungsweise Staatssekretär tätig waren. Um wieder auf die begehrte Liste zu kommen, brauchen die Betroffenen das Votum von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder. Eine Hürde, die beispielsweise Sybille Volkholz nehmen muß – unter Rot-Grün war sie Schulsenatorin, in dieser Legislaturperiode beackerte sie ihr Lieblingsthema im Parlament. Spannend wird die Besetzung des Spitzenplatzes, der einer Frau vorbehalten ist. Gute Chancen für diesen Posten werden unter anderem der rechtspolitischen Sprecherin Renate Künast eingeräumt. Mit gleich drei Änderunganträgen will der Bezirksverband Tiergarten – unter anderem repräsentiert durch den Rechtsanwalt Christian Ströbele – einem von Wieland und mehreren Parteilinken ausgearbeiteten Kompromißantrag zu Rot- Grün zu Leibe rücken. An dem vor zwei Wochen präsentierten Wieland-Papier, in dem der heikle Punkt einer PDS-Tolerierung ausgeklammert wurde, stört die Tiergartener das Liebäugeln mit der SPD. „Das sind allenfalls semantische Spielereien“, glaubt Landesgeschäftsführer Norbert Schellberg. Froh sei man, daß durch die Änderungsanträge die PDS-Debatte nicht wieder angeheizt werde. Erleichtert dürften die Bündnisgrünen auch über die Absage der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley und des ehemaligen IMs Rainer Börner sein, die eine gemeinsame Kandidatur auf der offenen Liste erwogen hatten. „Das hätte uns in Bedrängnis gebracht“, hieß es aus Kreisen der Fraktion.

Die CDU bleibt männlich

Alles bleibt beim alten – so ähnlich könnte am heutigen Samstag die Überschrift für den Nominierungsparteitag der CDU lauten. Oberster Tagesordnungspunkt: Die Wahl des Spitzenkandidaten Eberhard Diepgen. Lediglich das Ergebnis des – auch in den eigenen Reihen nicht unumstrittenen – Landesvorsitzenden und Regierenden Bürgermeisters dürfte Aufmerksamkeit erregen. Im Blickpunkt wird auch die Abstimmung über einen Antrag zur Länderfusion stehen.

Die – wie stets geschickte – Parteitagsregie der CDU will die Delegierten diesmal darauf einschwören, der in Teilen fusionsfeindlich gestimmten Fraktion Beine zu machen. In dem Antrag zur Länderehe werden die Parlamentarier aufgefordert, dem Staatsvertrag am 22. Juni im Abgeordnetenhaus zuzustimmen. Die Berliner Bundestagsabgeordnete Wilma Glücklich will die Gelegenheit nutzen, um ihren männlichen Kollegen ins Gewissen zu reden. Nur sechs CDU-Kandidatinnen, so hatte die Frauen-Union kürzlich vorgerechnet, kämen bei einem durchschnittlichen CDU-Ergebnis ins Parlament. In der Hoffnung, die Partei werde von selbst das Problem mangelnder weiblicher Repräsentanz lösen, hatten viele CDU-Frauen eine Quote lange Zeit abgelehnt – auch Wilma Glücklich.

Liberale Sorgen

Eigentlich war sie schon abgeschrieben, da verschafft der Abgang ihres Bundesvorsitzenden Klaus Kinkel der Hauptstadt-FDP ein unerwartetes Medieninteresse. Zwar wird es auf der morgigen Landeswahlversammlung vornehmlich um die Kandidatenaufstellung für die Landesliste gehen. Doch der Rücktritt könnte die Flügelkämpfe zwischen National-, Wirtschafts- und Linksliberalen neu aufflammen lassen und sich entsprechend in der Kandidatenwahl widerspiegeln. Kaum Chancen werden der rechten Gruppierung um den Abgeordneten Wolfgang Mleczkowski und den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl eingeräumt. Trotz spektakulärer Anzeigen – zuletzt durch den 8.-Mai-Aufruf in der FAZ – haben sie sich intern gehörig ins Abseits manövriert.