Das Familientreffen

■ "30 Jahre Monitor": Eine Diskussion über den politischen Journalismus zum runden Geburtstag des WDR-Magazins

Wenn ein kritisches TV-Magazin den 30. Geburtstag feiert, lädt man die journalistische Verwandtschaft ein. Deshalb hatte der WDR am Donnerstag nach Köln gebeten, um über die Zukunft des investigativen Fernsehens zu diskutieren. Für das richtige Ambiente auf dem Podium hatte man gesorgt und extra den „Monitor“-Tisch aus der Deko herangeschafft.

Alle wichtigen Onkels waren gekommen, um mit dem Geburtstagskind, vertreten durch Klaus Bednarz, die Perspektiven der Schirmherren zu diskutieren: Bodo Hauser und Ulrich Kienzle („Frontal“, ZDF), Friedrich Küppersbusch („ZAK“, WDR), Günter Latsch („Spiegel TV“) und natürlich auch Heinz Klaus Mertes („Zur Sache, Kanzler“, Sat.1).

Die Rollen im Familienduell waren erwartungsgemäß verteilt: Bodo Hauser bemängelte das Verschwinden längerer politischer Dokumentationen aus den Programmen, und sein Antipode Ulrich Kienzle sah das logischerweise ganz anders. Heute könne man Sendungen in der Bandbreite von „ZAK“ bis „Monitor“ und auch längere Features bei arte sehen. Er vermisse jedenfalls nichts.

Bedenkenträger Bednarz sah die Entwicklung natürlich nicht so rosig. Die ARD habe in den letzten Jahren die Sendeplätze im Ersten für solche Programme massiv gekürzt. So habe man ein Jahr mit den Programmverantwortlichen um die Ausstrahlung des Ostpreußenfilms ringen müssen.

Für den Meister der geschraubten Sprachform, Friedrich Küppersbusch, lag das Problem der politischen Berichterstattung in der Reduzierung auf euro- beziehungsweise germanozentristische Inhalte. Man solle endlich anfangen, über Probleme zu berichten, bevor sie akut würden. Außerdem bemängelte er im Fernsehen das völlige Fehlen des investigativen Journalismus im regionalen Bereich.

Für die Vertreter der kommerziellen Anbieter war es keine Frage, daß auch gehaltvolle Informationsprogramme durch Werbung finanziert werden könnten, allerdings nur wenn die Quote stimme, so Latsch. Deshalb bereite es „Spiegel TV“ auch keine Probleme, seine Sendung mit einer Story über die Zaubertricks des David Copperfield aufzumachen. Das bringe Zuschauer, die danach auch den kritischen Bericht über den Ex-Marinerichter Filbinger (CDU) anschauen würden. Auch „Frontal“ arbeitet mit solchen „Reinziehern“, bestätigte Hauser. Unter Quotendruck stehen sie eben alle, Werbung tut also not.

Auch hier empfindet Bednarz die politischen ARD-Magazine eher als Stiefkind im Ersten. Gerade mal zehn Sekunden bekomme „Monitor“, um vor der „Tagesschau“ für die Sendung am Abend zu werben. Das sei leider das einzige, was an Werbung für die Magazine gemacht werde.

Heinz Klaus Mertes brach dann eine ganz unerwartete Lanze für den politischen Journalismus: Man dürfe nicht vergessen, daß Sport und Unterhaltung mittlerweile sehr viel teurer seien. Da war man also beim Geld – und wenn's darum geht, brechen bekanntlich auf Familientreffen die schönsten Kräche aus. Folgerichtig kam auch am „Monitor“-Tisch Stimmung auf, als über den Scheckbuch-Journalismus der Kommerziellen diskutiert wurde. So wies Hauser mit Blickrichtung auf die „Spiegel- TV“-Kollegen darauf hin, daß sich zunehmend Journalisten in ihrer Redaktion darüber beklagten, ohne Zahlungen keine Informationen mehr zu bekommen. Latsch wies eine Verantwortung dafür natürlich weit von sich. Auf die Frage, ob er denn noch nie Informationen weggekauft habe, meinte er nur lächelnd: „Wir bekommen sie vom Spiegel.

Dabei ist eigentlich unstrittig, daß zunehmend Informationen oder Interviewpartner für Journalisten nur noch gegen Cash zu haben sind. Bednarz wußte zu berichten, daß sich der „Talk-im-Turm“- Chef Erich Böhme damit brüstet, für den Auftritt des Barschel-Intimus Reiner Pfeiffer rund 180.000 Mark hingeblättert zu haben.

Die Wirkung von Skandalen, die von Fernsehmagazinen aufgedeckt wurden, auf die politische Landschaft schätzen die Macher allgemein eher gering ein. Kienzle wies auf den allgemeinen „Gewöhnungseffekt“ hin, „ZAK“-Moderator Küppersbusch kam zu dem ernüchternden Schluß, daß Aufregung über einen Skandal beleibe keine politische Änderung nach sich ziehe. Letztlich habe er nur einen hohen Unterhaltungswert für die ZuschauerInnen. Nur Bednarz wollte sich damit nicht zufriedengeben: diese Entwicklung sei doch ein Zeichen für den Zustand der politischen Kultur in diesem Land.

Zu der wollte sich schießlich auch der im Publikum sitzende ARD-Programmchef Günter Struve äußern. Ohne eine einzige Mark Infohonorar zu verlangen, verkündete er die News des Tages, daß Kinkel soeben auf die Kandidatur zum Parteivorsitz der FDP verzichtet habe. Philippe Ressing