Sextouristen morden

Deutscher Unternehmer in Brasilien wegen mehrfachen Mordes an Prostituierten angeklagt  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro (taz) – Devisen- und Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und Umweltschutz – „Investitionen in die Tourismusbranche sind äußerst rentabel“, rechnete der Vorsitzende des Deutschen Reisebüro-Verbandes (DRV), Gerd Hesselmann, deutschen und brasilianischen Unternehmern in der vergangenen Woche bei der dritten Ländertagung in Rio de Janeiro vor. Angehörige des deutschen Generalkonsulates in Recife sehen dies anders: Seit in der Hafenstadt im brasilianischen Nordosten wöchentlich vier Flugzeuge mit sexhungrigen Touristen landen, hat die Bearbeitung familienrechtlicher Streitfälle extrem zugenommen. Und der „deutsche Tourismus anderer Art“ bringt auch andere Rechtsprobleme mit sich.

Jüngstes Opfer der Wachstumsbrache „Sextourismus“ ist die Hausangestellte Patricia Teixeira de Lima. Die 23jährige wurde im Oktober vergangenen Jahres von dem Deutschen Michael Gerhard Klein vergewaltigt, mißhandelt und anschließend – im Glauben, sie sei bereits tot – auf der städtischen Mülldeponie in Recife abgeladen. Nach über einem Monat Bewußtlosigkeit identifizierte die Brasilianerin Klein als Täter. Seit Dezember 1994 sitzt der Deutsche im Gefängnis „Hanibal Bruno“ in Untersuchungshaft. In der vergangenen Woche nahm sich die Menschenrechtskommission des Landtags vom Bundesstaat Pernambuco des Falles an, um ein korrektes Gerichtsverfahren zu garantieren.

Bei den Brasilianerinnen, die sich den deutschen Touristen als „Begleiterin“ anbieten, war der Angeklagte Klein bereits bekannt. „Die Mädchen erzählen sich untereinander, daß er nachts in den einschlägigen Diskotheken Opfer auflas und dann für immer mit ihnen verschwand“, berichtet Sandra Dias, Mitarbeiterin der Gruppe „Coletivo Mulher Vida“, einer brasilianischen Organisation, die Mädchen aus der Sextourismusbranche betreut. Um das „Beweismaterial“ zu vernichten, hätte Klein die Leichen der Mädchen seinen Hunden zum Fraß vorgeworfen.

Der Angeklagte muß sich vor Gericht wegen zweifachen Mordes sowie eines Mordversuches verantworten. Vertraulichen Quellen zufolge hat die Beteiligung am deutsch-brasilianischen Sexbusineß den Angeklagten Klein zu einem äußerst vermögenden Mann gemacht. Der ehemalige Sextourist, Angehöriger der Familie Bosch aus Deutschland, lebt mittlerweile seit sieben Jahren in Brasilien und ist dort verheiratet und Vater zweier Kinder. Die Mitarbeiterinnen von „Coletivo Mulher Vida“ befürchten, daß Kleins Reichtum den Prozeß zu seinen Gunsten beeinflussen könnte. Starverteidiger Boris Trindade, so Ceci Prestrello vom „Coletivo“, sei zu allem fähig, um den Fall zu gewinnen. Die Frauengruppe, die unter anderem von der „Aktion Solidarische Welt“ aus Berlin unterstützt wird, bat kürzlich den deutschen Botschafter Limmer um offizielle Unterstützung.

Nach Angaben des deutschen Reisebüro-Verbandes reisten im vergangenen Jahr 120.000 Deutsche nach Brasilien. Zum Vergleich: In Thailand machten 350.000 Deutsche und in Mexiko 156.000 Deutsche Ferien. Viele der deutschen Brasilien-Urlauber fliegen direkt nach Recife. In der brasilianischen Sommersaison von November bis März streiten sich in der nordöstlichen Hafenstadt rund 12.000 Mädchen darum, die „Gringos“ für umgerechnet 80 Mark pro Nacht zu „begleiten“.

Die Aussicht, innerhalb kürzester Zeit viel Geld zu verdienen, wirkt auf die sogenannten Programm-Mädchen, die zu einem großen Teil aus der brasilianischen Mittelschicht stammen, unwiderstehlich. „Als Frau heute ist es schwierig, ein unabhängiges Leben zu führen“, bekennt die Prostituierte Claudia da Cruz (Name von der Red. geändert). Die 22jährige hat sich in einen Heilpraktiker aus Speyer verliebt. Daß er sie im Suff grün und blau schlägt, nimmt sie in Kauf. „Wenn er trinkt, verwandelt er sich in einen anderen Mann, aber danach ist alles wieder gut“, sagt sie lächelnd.

Patricia Teixeira hingegen hat den Traum vom deutschen Märchenprinzen gründlich ausgeträumt. Der Brutalitätsrausch ihres vermeintlichen Freiers endete zwischen den Geiern auf der Müllkippe.