Berufsverkehr entschärfen

„Umweltfreundlich zum Betrieb“ – Eine Initiative in Freiburg hat Erfolg / Die Hälfte der Belegschaft braucht das Auto nicht mehr  ■ Aus Freiburg Christian Rath

„Das schadet doch deiner Karriere, wenn du mit dem Rad zur Arbeit kommst“, unkten die Kollegen von Knuth Stemmer noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Heute ist der leidenschaftliche Fahrradfahrer zum Justitiar des Freiburger Pharmakonzerns Gödecke aufgestiegen und kommt immer noch mit dem Velo zum Betrieb. Seinen Dienstwagen läßt er dagegen zu Hause stehen. Als Exot gilt er unter seinen KollegInnen schon lange nicht mehr. Gerade viele AkademikerInnen im Mittelmanagement tun es ihm gleich. Eine Zählung ergab, daß in der Sommerzeit regelmäßig mehr als zehn Prozent der Gödecke-Belegschaft mit dem Rad zur Arbeit kommen. Schwung brachte insbesondere eine Broschüre der firmeneigenen „Radler-Initiative“, in der die VelopionierInnen ihre Radwege aus den verschiedenen Freiburger Stadtteilen und Umlandsgemeinden detailliert beschrieben.

Das Beharrungsvermögen vieler AutofahrerInnen ist jedoch auch im Freiburger „Industriegebiet Nord“, dem Standort von Gödecke, enorm. Nach wie vor bildet sich pünktlich zum Feierabend ein so massiver Stau rund um die Betriebe, daß es oft eine halbe Stunde dauert, bis das Industriegebiet mit dem Auto überhaupt nur verlassen werden kann.

Zahlreiche Betriebsräte und betriebliche Umweltgruppen haben sich deshalb 1991 in der Initiative „Umweltfreundlich zum Betrieb“ zusammengetan und einen auch bundesweit beachteten Erfolg erzielt. Eine Reihe von Unternehmen in Freiburg hat inzwischen betriebliche Umweltverkehrsprogramme aufgelegt.

Mitziehen muß die Geschäftsleitung insbesondere, wenn es darum geht, das Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr finanziell zu fördern. Beim Emmendinger Dübelhersteller Upat hat man mit der Steigerung des Anteils der umweltfreundlichen Anfahrten von 15 auf 65 Prozent ein echtes Traumergebnis erzielt. Upat übernimmt für alle MitarbeiterInnen, die weiter als fünf Kilometer vom Betrieb entfernt wohnen, die Kosten der berühmten Freiburger Regio-Karte, mit der man alle Orte im Umkreis von rund 20 Kilometern erreicht. RadlerInnen und TeilnehmerInnen an Fahrgemeinschaften erhalten von Upat je 25 Pfennig pro Kilometer.

Ganz so spendabel zeigte sich der Freiburger Halbleiterhersteller „Intermetall“ nicht. In dem Unternehmen, das mit seinem betrieblichen Verkehrsprogramm im Jahr 1991 immerhin den Stein erst ins Rollen brachte, hat man sich deshalb eine clevere Regelung einfallen lassen, um gerade den „Gemeinschaftsehrgeiz“ der Belegschaft zu steigern: Je mehr MitarbeiterInnen öffentliche Verkehrsmittel benutzen, um so mehr Monatskarten werden den einzelnen dabei spendiert. Im letzten Jahr wurde bei „Intermetall“ der für den Übergang zur nächsthöheren Förderstufe notwendige ÖPNV- Anteil nur um zwölf Personen verpaßt. „Das wird dieses Jahr sicher nicht mehr passieren“, vermutet der Betriebsratsvorsitzende Walter Baireuther. Etwa zehn Prozent der rund 1.600 MitarbeiterInnen sind nach seinen Schätzungen schon umgestiegen.

Wenn es Parkplatzprobleme gibt, können betriebliche Verkehrsprogramme sogar lukrativ für die Unternehmen sein. Statt einen Tiefgaragenplatz monatlich mit rund 100 Mark zu fördern, subventioniert man beim Maschinenbauer „Fritz Düsseldorf“ lieber das Umsteigen auf den öffentlichen Personennahverkehr. Tiefgaragenplätze gibt es zudem nur noch für Fahrgemeinschaften und ArbeitnehmerInnen mit nachweisbar schlechter Öffi-Verbindung. Der Umsteigeeffekt dürfte in den kommenden Monaten noch deutlicher werden, so vermutet Betriebsrat Erich Meier, nachdem sich NachbarInnen des Unternehmens jüngst mit nächtlichen Reifenstechereien gegen das zunehmende „wilde Parken“ in ihren Wohnstraßen gewehrt hatten.

Damit das Angebot des öffentlichen Verkehrs einfach genutzt und vorurteilsfrei überprüft werden kann, hat die Initiative aus den Fahrplänen verschiedener Vekehrsträger für das Freiburger Industriegebiet Nord einen Plan entwickelt, der die Verbindungen aus dem Umland übersichtlich zusammenstellt. Finden sich Lücken, dann werden Verhandlungen mit den örtlichen Verkehrsunternehmen oder der Bahn aufgenommen, und immer wieder können Verbesserungen erzielt werden.

Neben dieser Kleinarbeit drängt die Initiative „Umweltfreundlich zum Betrieb“ aber auch auf den „großen Wurf“: Auf Güterverkehrsgleisen, die das Industriegebiet Nord durchziehen, soll mit alten Schienenbussen ein Taktverkehr quer durch die Stadt aufgenommen werden, um die Fahrzeit gegenüber der bisherigen Busanbindung stark verkürzen zu können. Rund 500 der insgesamt 12.500 dort Arbeitenden kamen am Montag zu einem Aktionstag der Initiative. Passend zum Beginn der bundesweit proklamierten Woche „Mobil ohne Auto“ war ein Schienenbus gechartert worden, der in einer einmaligen Probefahrt Lust auf mehr machen sollte.

Anfang Juni will die Initiative einen „Handlungsleitfaden für das gemeinschaftliche Umsteigen“ veröffentlichen, um die eigenen Erfolge auch bundesweit nutzbar zu machen.

Bezug: BUND, Dunantstr. 16, 79110 Freiburg; Kosten: 7 DM