„Wer eine SED will, der soll eine gründen“

■ Nach dem Bremer Wahldebakel eskaliert der Richtungsstreit in der PDS / SED-Intellektuelle gegen PDS-Reformer, Ossis gegen Wessis, jeder gegen jeden

Berlin (taz) — „Es wird heiß.“ Das schwante gestern auch dem PDS-Parteivorsitzenden Lothar Bisky im Gespräch mit der taz. Kaum hat man bei den Landtagswahlen in Bremen eine herbe Niederlage einstecken müssen, schon eskaliert bei den demokratischen Sozialisten der Richtungsstreit. 38 altgediente GenossInnen hatten sich Mitte der Woche „in großer Sorge“ über den Anpassungskurs der PDS an das Parteivolk gewandt (vgl. taz vom 18. Mai), jetzt ist die Partei in Aufruhr, eine Spaltung der Partei wird nicht mehr ausgeschlossen. In ihrer Erklärung hatten die überwiegend zwangseremitierten SED-Intellektuellen der PDS-Führung unter der Wortführung des Bundestagabgeordneten Uwe-Jens Heuer vorgeworfen, sie habe in wichtigen Fragen den Grundkonsens der PDS verlassen und zum Beispiel in „Gestalt des Stalinismusverdikts“ der SED und DDR eine Absage erteilt.

Die Antwort von Lothar Bisky fiel heftig aus. „Denunziatorisch“ nannte er den Aufruf in einer ersten Stellungnahme. Mit großer Mehrheit habe der Parteitag den sogenannten „fünf Punkten“ zugestimmt, es könne nicht angehen, daß eine Minderheit diesen Beschluß jetzt ständig in Frage stelle.

„Kein zurück zur SED“, diese Losung hat in Bonn Gregor Gysi ausgegeben. Noch nach der Bundestagssitzung hatte er die PDS- Gruppe Donnerstag nacht zu einer nichtöffentlichen Sondersitzung verdonnert und ihr eine Erklärung zur Verabschiedung vorgelegt, die den Aufruf der 38 scharf verurteilt. Er sei der Versuch, die Absage der PDS an die Strukturen der SED und an den Stalinismus „zu revidieren“, er habe „restaurativen Charakter“. Der Vorwurf der Anpassung sei „eine bösartige Unterstellung.“ 22 der 30 PDS-Bundestagsabgeordneten unterzeichneten die Erklärung. Gregor Gysi hätte die diese gerne noch etwas schärfer formuliert. Diejenigen, die ein Zurück-zur-SED wollen, „sollen eine eigene Partei gründen“, so hieß es in dem von ihm verfaßten Entwurf. Doch nach fast dreistündiger Diskussion in der Bundestagsgruppe wurde der Satz wieder gestrichen. Deutlich wurde an dieser Stelle allerdings Lothar Bisky. „Die Absage an die SED und die stalinistischen Methoden der SED“, so Bisky gestern, „gehören zum Gründungskonsens der PDS.“ Und, so fügte er hinzu: „Wer eine SED will, der soll sie gründen.“

Doch längst ist der Streit auch an anderen Fronten in der PDS aufgebrochen. Während Parteivize Wolfgang Gehrke noch eine „sachliche Diskussion“ über das enttäuschende Wahlergebnis von Bremen einklagte, forderte PDS- Vordenker André Brie in der Wochenpost bereits Köpfe. Für das Desaster von Bremen sei die Westlinke in der PDS verantwortlich. Sie schmore im eigenen Saft, verfalle gegenüber den BürgernInnen in Arroganz. „Ohne politische Konsequenzen“ sei die PDS im Westen chancenlos. Und die Berliner Zeitung zitiert Schatzmeister Dietmar Bartsch mit den Worten, von „Linkssektierern“ und „K- Gruppen-Mentalität“ habe er genug. Daß es im Westen „Probleme“ gibt, will auch Lothar Bisky nicht leugnen. Doch denjenigen in der PDS, die jetzt dafür plädierten, auf die Westausdehnung zu verzichten, erteilt er eine Absage. „Als schöne beschauliche Ostpartei“, befürchtet Bisky, „werden wir provinziell.“ Cristoph Seils