Die Gegner Miloševićs formieren sich

Der „Serbische Verteidigungsrat“ will den serbischen Präsidenten stürzen, da er den Traum von Groß-Serbien aufgegeben habe / Forderung nach Vertreibung der Kosovo-Albaner  ■ Von Karl Gersuny

Wien (taz) – Den Sturz des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević haben am Wochenende rund 500 serbische Nationalisten gefordert, die im mittelalterlichen Kloster Gracanica im Kosovo zusammengekommen waren. Gerichtet war die Versammlung aber auch gegen die albanische Bevölkerung des zu Serbien gehörenden Kosovo. Mit dem Schlachtruf „Keiner hat das Recht, das Serbenvolk zu knechten“ erklärten die Organisatoren, es sei die Zeit gekommen, die „Südfront“ zu eröffnen – den Krieg gegen die etwa zwei Millionen Kosovo-Albaner.

Serbische Ultranationalisten und Freischärlerführer drohen den Albanern zwar schon seit Jahren, bisher beschränkte sich dieser Kreis aber auf das rechtsextreme Spektrum im Lande. In Gracanica schlossen sich nun auch sogenannte bürgerliche Parteien dem „Serbischen Verteidigungsrat“ an. Die „Demokratische Partei“ unter dem früheren Habermas-Schüler Zoran Djindjić sowie die „Serbische Demokratische Partei“ gehören nun dem „Verteidigungsrat“ ebenso an wie der bosnische und kroatische Serbenführer Radovan Karadžić und Milan Martić. Beide Kriegsherren ließen sich in Gracanica entschuldigen, da die angespannte Lage an der Front „höchste Aufmerksamkeit“ erfordere und sie deshalb bei der „Gestaltung des zukünftigen Serbien“ nicht teilnehmen könnten. Die Anwesenden waren sich auch ohne Karadžićs vollmundige Kriegserklärungen darin einig, daß das serbische Volk nur in der Vereinigung „aller serbischen Länder“ bestehen könne, wozu sie auch die Republik Mazedonien zählen.

Den Großserben geht die Repressionspolitik des Belgrader Regimes gegen die einst autonome Provinz Kosovo noch immer nicht weit genug. Dabei leben dort zwei Millionen Albaner seit 1981 unter dem Dauerausnahmezustand, und über hundert Albaner ließen in den vergangenen zehn Jahren bei Demonstrationen gegen die serbische Staatsmacht ihr Leben.

Die Wut der in Gracanica Versammelten richtete sich vor allem gegen Slobodan Milošević, der dabei sei, den Traum von der Errichtung eines großserbischen Reiches aufzugeben. Anfang der achtziger Jahre pilgerte der bis dahin unbekannte Bankier Milošević mehrmals nach Gracanica und spielte sich bei den angeblich von albanischen Nationalisten bedrängten serbischen Bauern als „Retter des Serbentums“ auf. Von Milošević stammt die nun erneut verwendete Parole „Keiner hat das Recht, das Serbenvolk zu knechten“. Und er prägte das geflügelte Wort: „Noch stehen wir nicht vor bewaffneten Kämpfen, doch sie scheinen vor uns zu liegen.“

Das offizielle Belgrad ließ die Großserben gewähren, und möglicherweise kommt diese ultranationalistische Veranstaltung Milošević sogar gelegen: Er präsentiert sich als moderater und berechenbarer Politiker, mit dem die internationale Staatengemeinschaft eher einen Frieden aushandeln kann als mit Karadžić und seinem Belgrader Unterstützerkreis.