■ Mit Rußlands Kraken auf du und du
: Steuer schlägt Mafia

Berlin (taz) – Es ist schon ein elendes Problem für die deutsche Wirtschaft: Rußland ist ein vielversprechender Riesenmarkt. Doch ob sich die Investitionen zu Lebzeiten noch rechnen, bleibt unklar. Auf dem 5. Tübinger Symposium der Ost- West-Gesellschaft Baden- Württemberg diskutierten kürzlich die Experten, welche Kraken die Unternehmer in Rußland stärker drücken. Die Leipziger Politologin Mária Huber schätzte die Mafia als das „wichtigste Hindernis für die weitere Entwicklung Rußlands“ ein. Der russische Wirtschaftsprofessor Wladimir Pankow hält dagegen in bester FDP-Tradition das unübersichtliche Steuersystem für ein viel größeres Investitionshemmnis.

40 Prozent des tatsächlichen Bruttoinlandsprodukts wird nach Angaben des russischen Arbeitsministeriums in der Schattenwirtschaft erzielt, doch werden viele Unternehmer durch das Steuersystem erst in diesen Bereich getrieben. Die Ausgaben zum Schutz vor der Mafia seien – so Pankow – prognostizierbar und könnten von den Unternehmern in die Kalkulation einbezogen werden. Die Steuern jedoch schwankten aufgrund der Vielgestaltigkeit der russischen Föderation von Region zu Region.

Der Erfindungsreichtum lokaler Funktionäre für überraschende Abgaben bringt vor allem ausländische Firmen in die Bredouille. Aber auch die Steuern der Föderation beherbergen einige Schmankerl. Bis 1993 wurden sogar Gewinne ein zweites Mal besteuert, wenn sie wieder investiert wurden – eine einzigartige Maßnahme zur Verhinderung von Modernisierungen. Seit Inkrafttreten des Gewinnsteuergesetzes im Januar 1992 wurde das Gesetz bereits sechsmal geändert, derzeit beträgt die Steuer 25 Prozent. Fünfmal wechselte die Mehrwertsteuer. Von satten 28 Prozent pendelte sie sich nun bei 23 ein. Laut Angaben von Professor Pankow liegt die reale Steuerbelastung der Unternehmensgewinne bei 75 bis 80 Prozent. Diese Belastung ist höher als die Schutzgelder an die Mafia und zwingt förmlich zu Steuerhinterziehungen.

Die Wirtschaftsberaterin des Gouverneurs der Region Jekaterinburg im Ural, die Professorin Kowaljowa, kritisierte vor allem die starke Zentrale Moskau. In der Hauptstadt seien 60 Prozent aller Banken und Finanzierungsressourcen konzentriert und stünden damit dem Umbau in den Regionen nicht zur Verfügung. Ein Berufszweig jedoch hat keine Probleme mit den unübersichtlichen Verhältnissen: die Berater, die vor allem mittelständischen Unternehmern zu erfolgversprechenden Investitionen verhelfen wollen. Christoph Mick