Fremdgeld für Prinz Eisenerz...

Brasiliens Präsident will privatisieren / Ausländische Investoren sollen die E-Werke sanieren und werden mit einem Bonbon gelockt  ■ Aus Rio de Janeiro Astrid Prange

Brasiliens zaghafter Privatisierungsprozeß soll wieder angekurbelt werden. Um ausländisches Kapital ins Land zu holen, will Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso Staatsbetriebe aus der Elektro- und Telefonbranche sowie einen Teil der Renten- und Sozialversicherung privatisieren. Anziehungskräftiger Magnet des Programms ist jedoch der geplante Verkauf der „Compania Vale do Rio Doce“ (CVRD), der größten Eisenerz-Exportfirma weltweit.

Dem 1942 gegründeten Unternehmen aus Rio de Janeiro, an dem der brasilianische Bund 51 Prozent der Aktien hält, haften zahlreiche Superlative an. Die amerikanische Zeitschrift Fortune präsentierte den Betrieb mit einer Ausfuhr von umgerechnet 1,3 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr nicht nur als Exportleader Brasiliens, sondern auch als Spitzenreiter bei der Produktivität. Am Südrand des Amazonasbeckens, in der Serra dos Carajas, baut er Erze von weltweit einmalig hoher Konzentration ab.

Die brasilianische Staatsbank BNDES ist mit der Ausführung des Privatisierungsprogramms beauftragt. Nach Angaben von Edmar Bacha, Vorsitzender der BNDES, wird das gigantische Unternehmen spätestens 1996 verkauft. Bis dahin, hofft Bacha, sei sowohl die detaillierte Bestandsaufnahme der einzelnen Besitzstände der Firma als auch eine „weitreichende Debatte“ mit der Öffentlichkeit abgeschlossen.

Das brasilianische Privatisierungsprogramm war vom letzten Staatsoberhaupt Itamar Franco zeitweilig außer Kraft gesetzt worden. Trotzdem wurden nach Informationen der BNDES in den vergangenen fünf Jahren in Brasilien 33 Betriebe im Wert von 7,8 Milliarden Dollar verkauft. Ausländische Investoren haben sich an dem Geschäft bisher lediglich zu 5,5 Prozent beteiligt. Brasiliens neuer Präsident Cardoso, seit 1. Januar 1995 im Amt, hofft nun insbesondere im Bereich der Stromerzeugung, wo zahlreiche Kraftwerksbauten aus Geldmangel stilliegen, auf neue Geldspritzen.

„Das brasilianische Elektrizitätsgeschäft gehört zu den weltweit attraktivsten“, lobt Alfredo Veiga von der New Yorker Investmentbank Salomon Brothers. Paradoxerweise zieht die Investoren gerade das an, was die brasilianischen Konsumenten abstößt: häufige Stromausfälle sowie die Desorganisation des hochverschuldeten Sektors. Vorsichtigen Schätzungen zufolge benötigt Brasilien bei einem Wirtschaftswachstum von jährlich vier Prozent in den kommenden zehn Jahren 30 Milliarden Dollar Investitionen, um einen Energiekollaps abzuwenden. „Nach einer Straffung der Branche sind die Gewinnaussichten gut“, versichert Veiga.

Bei dem Verkauf des Rohstoff- Konzerns Rio Doce hingegen handelt es sich von Anfang an um ein lukratives Unterfangen. Das kapitalkräftige Unternehmen beteiligte sich in den vergangenen Jahren an den Privatisierungen seiner inländischen Hauptabnehmer, den staatlichen Stahlkonzernen. Außerdem streute die Firma ihr Investitionskapital in die Bereiche Transport sowie die Herstellung von Zellulose. Die Produktion von jährlich hundert Millionen Tonnen Eisenerz machen nur noch ein Drittel des Umsatzes der Firma aus.

Der Abbau und die Ausfuhr ungeheurer Mengen Eisenerz, Aluminium, Mangan und Gold unter staatlicher Federführung verschaffte Brasiliens Wirtschaft enorme Impulse und trieb die Industrialisierung des tropischen Riesenreiches voran. Ab 1996 soll auch Kupfer exportiert werden. Die Rohstoffe sind also im Überfluß vorhanden. Dennoch ist Brasiliens Stahlproduktion im Vergleich zu den Industrieländern gering. „Alle brasilianischen Hochöfen gemeinsam produzieren weniger als Nippon Steel“, erklärt CVRD-Sprecher José Silveira.

Die Stahlproduktion sei ein „Gradmesser der Entwicklung“. Doch wer in Brasilien verfüge schon über das notwendige Kapital von vier Milliarden Dollar, um Hochöfen und entsprechende Walzwerke zu errichten? Im Gegensatz zum Ausbau des Stromnetzes sei der brasilianische Stahlmarkt für Investitionen dieser Größenordnung zu klein. Die Privatisierung des staatlichen Musterbetriebes, so hofft die brasilianische Regierung, werde nun jedoch das Interesse der internationalen Investoren für die zehntgrößte Industrienation der Welt endlich wecken.