„Öko, das mach ich nie wieder!“

■ Schlachter Groth gibt auf: Randale, Steinwürfe, Schulden und kein Geld von der Versicherung

Matthias Groth gibt auf. Der Öko-Schlachter am Sielwall im Ostertor will seinen Laden verkaufen, samt Inneneinrichtung. Viereinhalb Monate nach den Sylvesterkrawallen, als ihm eine veganische Sturmabteilung den ganzen Laden demoliert hatte, steht Groth vor dem finanziellen Ruin. 28.000 Mark Schulden sind ihm aus dem Neujahrsschaden geblieben, und die Versicherung zahlt nicht.

Doch das Geld ist nicht der einzige Grund, weshalb Groth jetzt das Handtuch wirft. Trotz aller öffentlicher Diskussionen – oder vielleicht gerade deshalb – ist der Terror gegen sein Geschäft weitergegangen, und gegen ihn persönlich: Vor vier Wochen haben ihn zwei Vermummte auf offener Straße mit Steinen angegriffen. Groth: „Scheiß drauf, ich hab keine Lust mehr. Das ist es nicht wert.“

Zur Erinnerung: Als sich in der Sylvesternacht rund um die Sielwallkreuzung Jugendliche und Polizei kleinere Scharmützel geliefert hatten, hatte sich im Schutze der Krawalle ein ganz besonderer Trupp auf den Weg gemacht. Fünf Schlachterläden wurden in dieser Nacht angegriffen und die Schaufenstern eingeschlagen. Doch einen hatte es ganz besonders erwischt, den Öko-Schlachter Groth. Bei ihm waren die Vandalen in den Laden eingestiegen und hatten den Tresen und sämtliche Machinen in Klump gehauen.

Eine gezielte Aktion, wie sich herausstellte. Über Monate hatte eine Gruppe von VeganerInnen, radikale TierfreundInnen, die sich jedem tierischen Produkt bis hin zu den Lederschuhen entsagen, Groth terrorisiert. Mal wurde die Fassade seines Ladens beschmiert, mal sein Wagen, mal sein Anhänger demoliert, sein Lehrling wurde bedroht und Groth selbst bekam Anrufe wie diesen: „Schlachter, stirb!“

Die Randale hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, vom Medienrummel ganz zu schweigen, der danach über Groth fast zusammenschlug. Der Schlachter stellte sich der Diskussion, auch mit den VeganerInnen. Genützt hat es ihm nichts. Eine Fangschaltung hielt ihm die DrohanruferInnen vom Hals, aber aufgehört hat der Terror auch nicht. Wieder wurde die Fassade beschmiert, wieder der Anhänger beschädigt, und dann kam der Tag vor vier Wochen. Da nämlich wurde er auf offener Straße mit Steinen angegriffen. „Die haben ziemlich danebengeworfen“, erzählt Groth. „Als ich dann einen Stein aufgehoben und gesagt hab, daß ich mitmachen will, da sind sie abgehauen.“

Groth ist mürbe geworden: „Mit Öko, das mach ich nie wieder. Du bist in einer Nische und hast kaum jemanden hinter Dir. Und wenn die Veganer nochmal Bock haben, dann stehst Du wieder alleine da. Du bist der Gearschte.“ Seine Versicherung hatte ihm signalisiert, daß sie die Schäden regeln würde, doch passiert ist bislang nichts. Nun muß Groth hoffen, daß er über den Verkauf des Ladens von den Schulden herunterkommt. „Gespendet hat ja auch kaum jemand.“

Im Viertel hat die Entscheidung Groths ziemlich eingeschlagen. „Das ist entsetzlich“, war der erste Kommentar von Ortsamtsleiter Robert Bücking. „Es darf nicht sein, daß jemand so eingeschüchtert wird, daß er aufgibt. Wir müssen uns hier auf Regeln im Zusammenleben einigen. Denn sonst geht diese Entwicklung auf Kosten aller, auch von denen, die Groth jetzt weggeekelt haben.“ Bücking will noch einmal Kontakt zu Groth aufnehmen und herausbekommen, „ob sich auf der praktischen Ebene noch was drehen läßt.“

Da kann er die Viertel-Kaufleute gleich mitnehmen. „Nach Silvester bin ich zu Groth hingegangen und habe ihm Hilfe angeboten“, erzählt der Optiker Carsten Frenz von der Interessengamenschaft „Das Viertel“. Aber seitdem habe er nichts von den Konflikten um den Schlachter gehört. „Das haut mich jetzt vom Hocker. Daß so eine kleine Existenz vernichtet wird, das kann ich nicht nachvollziehen.“ Dabei hat Frenz Sympathien für die TierschützerInnen. „Aber sowas, das reißt die ganze Bewegung in den Schlamm.“ Jochen Grabler